Kirchheim
Vereine: „Ausgedünnt“ ist das Wort der Stunde

Gemeinschaft Chöre, Orchester und Sportklubs dürfen jetzt wieder live proben und trainieren. Doch längst nicht jedes Mitglied kommt zurück. Von Thomas Zapp

Am „oberen“ und am „unteren Ende“ verliere sie derzeit Mitglieder, sagt Anne Dröge, Leiterin des Posaunenchors der Gesamtkirchengemeinde Kirchheim. Mit „oben“ und „unten“ meint sie die Altersstufen der Bläserinnen und Bläser, die sich im Laufe der Corona-Zeit stark ausgedünnt hatten. „Es war eine harte Zeit“, sagt sie. Während die Generation über 70 während der Zeit ohne Präsenzproben die Entscheidung über einen altersbedingten Austritt vorgezogen hat, haben die Jüngsten schlichtweg die Lust verloren. „Das tut mir besonders weh, weil es schwierig ist, wieder an sie heranzukommen, wenn die Motivation einmal weg ist“, sagt sie. Hoffnung machten aber fünf Jungbläser, die hinzugekommen sind.

Testen hält ab, nicht testen auch

Aktuell finden sich zu den Proben in der Thomaskirche zehn Musikerinnen und Musiker ein, normalerweise wären es bis zu 25. Durch den Ausfall der älteren Mitstreiter ergeben sich noch ganz andere Probleme. „Uns fehlen momentan die tiefen Stimmen, wie Bassposaune und Tuba“, sagt Anne Dröge.

Gerade gibt es für Posaunenchöre draußen keine Beschränkungen mehr, für die Proben im Raum muss man sich auch nicht mehr testen lassen. „Der Platz in der Thomaskirche reicht“, sagt die Leiterin. Sie weiß aber auch: „Das Testen hat manche von den Proben abgehalten.“

Die gegenteilige Erfahrung macht Alexandar Kostic vom Gesangverein Liederkranz Lindorf: Gerade der Wegfall der Testpflicht bei den Chören ließe einige Mitglieder zu Hause bleiben. „Die sind unsicher und warten lieber, bis sie vollständig geimpft sind“, sagt er. Auch bei ihm sind die Live-Proben der drei Chöre noch ausgedünnt, statt 30 seien es derzeit 10 bis 15, sagt der Vorsitzende. Er hat aber auch Grund zur Freude: Die befürchteten Austrittswellen hat es nicht gegeben. „Wir waren in der Corona-Zeit auch sehr aktiv, haben Musikvideos gedreht, unsere Internetseite ständig aktualisiert und Online-Chorproben gemacht“, betont er.

Treffen macht glücklich

Einig sind sich die Aktiven in einem Punkt: Auf Dauer kann die digitale Kommunikation den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. „Als wir uns im Sommer letzten Jahres und jetzt Anfang Juni und draußen treffen duften, da waren wir alle glücklich“, erzählt Siegfried Hauff, Erster Vorsitzender des Kirchheimer Bürgertreffs. Ob tatsächlich wegen Corona Mitglieder ausgetreten sind, weiß der Vorsitzende noch nicht. Zwar sind seit März 2020 beide Mitgliederversammlungen ausgefallen sowie Kurse, Ausstellungen und vor allem die beliebten Kulturfahrten. Aber Gewissheit über den tatsächlichen Schwund unter den 250 Mitgliedern hat er erst im August. „Wir haben die Versammlung so zeitnah wie möglich anberaumt, nicht dass sich wieder etwas ändert“, ist Siegfried Hauff ob des Corona-Verordnungs-Hickhacks vorsichtig geworden.

Aus der Not eine Tugend gemacht hat Martina Schili. Ihre Gesundheitssport-Gruppe im TSV Holzmaden nutzt die Video-Option immer noch, wenn wie zur Zeit das Wetter schlecht ist. „Dann verlegen wird den Sport wieder ins Wohnzimmer und turnen online wie die Monate zuvor. Daran nehmen selbst Mitglieder teil, die gerade irgendwo im Urlaub verweilen oder wieder auf Geschäftsreise sind. Neulich hat sich eine Teilnehmerin aus Kroatien eingewählt, ein anderer aus seinem Hotelzimmer“, sagt sie. Ihr Fazit: „Wer hätte das noch vor einem Jahr gedacht. Viele sagen: Ist doch eine super Alternative und besser als ausfallen lassen.“ Und noch etwas hat sie beobachtet: „Interessant war auch, dass einige Teilnehmer des Online-Angebots regelrecht traurig waren, als wir wieder in den Präsenzsport übergingen. Da sie nun nicht mehr daran teilnehmen, weil sie zu weit weg wohnten oder die maximale Teilnehmerzahl im Präsenzsport erreicht war.“ Die hätten sich eine Fortsetzung des Online-Sports gewünscht. „Es haben Leute, die seit zehn Jahren keine Turnhalle mehr betreten haben, online im eigenen Wohnzimmer mit Begeisterung Sport getrieben“, sagt Martina Schili. Es scheint so zu sein, dass manche Online-Formate für Vereine auch eine Chance bieten. Wenn nicht alle in die Präsenz zurückkehren, kann vielleicht die eine oder der andere auf Distanz gewonnen werden.

 

Diese Regeln gelten für
Chöre und Orchester

Nach Paragraf 8, Absatz 1 der Corona-Verordnung sind Proben und Aufführungen von Amateurmusikvereinen wieder erlaubt. Aber: Veranstalter müssen weiterhin ein Hygienekonzept erstellen und die Daten erfassen. Beim Aufenthalt in geschlossenen Räumen wird grundsätzlich eine regelmäßige intensive Lüftung empfohlen, um die Verbreitung infektiöser Aerosole zu reduzieren .In schlecht belüfteten Innenräumen reicht die Einhaltung der AHA-Regeln dafür allein nicht aus. Während des Singens muss keine Maske bei Proben in geschlossenen Räumen getragen werden. Der Abstand sollte möglichst zwei Meter betragen. Im Freien gilt grundsätzlich keine Maskenpflicht, es sei denn, es kann kein Abstand von 1,50 Metern eingehalten werden. zap/pm