Kirchheim
Verzicht von Anfang an

Zöliakie Wie die Krankheit bei der vierjährigen Hanna begonnen hat – und wie sie mit ihr lebt.​

Wendlingen. Anfangs tauchen die Schmerzen nur hin und wieder auf. Als Hanna täglich über Bauchweh klagt und beim Spazierengehen häufig nicht mehr weiterlaufen kann, werden die Eltern stutzig. „Wir waren uns nicht sicher, ob sie einfach nur die Bauchmassagen genießt, die sie dann immer bekommen hat“, sagt Hannas Mutter, Alexandra Vogel. Dennoch geht sie mit der Tochter zum Kinderarzt. Der bittet sie, ein Ernährungsprotokoll zu schreiben, und nimmt eine Stuhlprobe. Die ist unauffällig. Die Bauchschmerzen jedoch bleiben.

Alexandra Vogel fühlt sich abgespeist. „Wir hatten das Gefühl, dass uns unterstellt wird, es würde an der Art liegen, wie wir Hanna ernähren. Dass sie zu wenig Gemüse isst“, sagt sie. Sie wechselt den Kinderarzt. Der geht die Sache gründlicher an. Der Ultraschall von Hannas Bauch zeigt auffällig viel Wasser im Dünndarm. Blutbild und Stuhlprobe deuten auf Gluten-Unverträglichkeit hin. Eine Biopsie in der Kinderklinik Esslingen bestätigt den Verdacht. Hannas Bauchschmerzen sind keine Einbildung. Das kleine Mädchen hat Zöliakie, eine Autoimmunerkrankung, an der – konservativ geschätzt – ein Prozent der Bevölkerung leidet. 

„Im Nachhinein betrachtet, würde ich sagen, dass es noch mehr Auffälligkeiten als die Bauchschmerzen gab“, sagt Alexandra Vogel, die genauso wie ihr Mann keine Zöliakie hat. Wenn man sich das U-Heft anschaue, sei Hanna damals relativ wenig gewachsen, sei häufig schlapp und müde gewesen. Wer an Zöliakie leidet und glutenhaltige Lebensmittel isst, kann Nährstoffe nicht aufnehmen wie ein gesunder Mensch. Deshalb stagniert häufig das Wachstum. Familie Vogel entscheidet sich dafür, den gesamten Haushalt „auf glutenfrei“ umzustellen. „Die kleinsten Spuren lösen bei ihr Symptome aus. Und Krümel lassen sich einfach nicht vermeiden“, sagt die Mutter. Zu Hause funktioniere die neue Ernährung gut. „Das ist die Sicherheitszone für unser Kind. Hier kann sie alles essen.“ Aber sobald man rausgehe, werde es schwieriger. „Hanna kann im Freibad nicht wie andere Kinder Pommes essen oder ein Eis in der Eisdiele“, sagt Vogel. Auch, wenn das Eis glutenfrei ist: Sobald Krümel der Waffel ins Eis fallen, ist es „kontaminiert“. Glücklicherweise achte der Kindergarten sehr darauf, dass Hanna nicht mit Gluten in Berührung kommt. Das sei nicht selbstverständlich. „Andere Familien kämpfen da sehr.“

Hanna lebe eigentlich gut mit ihrer Krankheit, sagt Alexandra Vogel. Sie versucht, ihrer Tochter zu ermöglichen, was sie kann. „Wenn es irgendwo Waffeln gibt, versuche ich, ihr vorher andere zu backen“, sagt sie. Sie sei dankbar, dass Hanna die Diagnose so früh hatte. Sie sei an den Geschmack glutenfreier Lebensmittel gewöhnt. „Wenn man es später erfährt, vergleicht man eher.“