Endlich wieder „normal“ soll es bei der Kirchheimer Vesperkirche zugehen, die am Sonntag, 28. Januar, in der Thomaskirche beginnt. Mit „normal“ meint der Organisator, Diakon Uli Häußermann, den Gegensatz zu den Corona-Jahren „Da ist die Vesperkirche einmal ganz ausgefallen, und einmal haben wir sie in den Herbst verschoben. 2020 ging es gerade noch gut.“ Jetzt, 2024, ist zum ersten Mal wieder voll bestuhlt. „Wir rechnen mit 250 Gästen pro Tag. Auch im Foyer wird wieder bewirtet.“
„Wenn’s klemmt, ruf’ an“
Mit rund 160 ehrenamtlichen Helfern rechnet Mitorganisatorin Sarah Kindt-Matausch. Circa 340 mögliche Freiwillige waren im Vorfeld angeschrieben worden. „Wir haben rührende Briefe bekommen, von langjährigen Mitarbeitern, die schreiben, dass sie so langsam zu alt sind, um regelmäßig mitzuhelfen“, erzählt Uli Häußermann. „Es gibt auch Fälle, da steht noch der Zusatz dabei: ,Wenn’s klemmt, ruf’ an’.“
Das Team steht also, und dabei geht es ja nicht nur ums Kochen und Spülen. Auch die Tischdecken und die Schürzen müssen täglich gewaschen und gebügelt werden. Für diese Aufgabe stehen ebenfalls ehrenamtliche Kräfte bereit, die die Wäsche am nächsten Morgen wieder blütenweiß zurückbringen – sozusagen als „Mangelware“, denn Mangeln stehen in der Vesperkirche bereit.
Die Vesperkirche, die die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Kirchheim gemeinsam mit dem Kreisdiakonieverband Esslingen veranstaltet, hat zum Ziel, Menschen aus ganz unterschiedlichen Milieus zusammenzubringen, unter dem Motto: „Gemeinsam an einem Tisch“. Sarah Kindt-Matausch berichtet vom Marktstand der Vesperkirche, wo Passanten gesagt hätten: „Die Vesperkirche brauche ich doch gar nicht.“
Man könne für das Essen ja auch mehr bezahlen, wenn man will, meint sie daraufhin, während Uli Häußermann ergänzt: „Es gibt auch einen Spendentopf, in den man Geld werfen kann.“ Dekan Christian Tsalos ordnet das in einen größeren Zusammenhang ein: „Es geht bei der Vesperkirche ja nicht nur darum, Menschen zu helfen, die in finanzieller Armut leben. Es geht auch um eine seelische Bedürftigkeit. Unsere Gäste können Gemeinschaft erleben. Sie haben eine Ansprache. Und wir vermitteln eine Botschaft: ,Wir sind gerne für dich da’.“
In diesem Zusammenhang zitiert Uli Häußermann aus dem Gästebuch: „Durch eure Vesperkirche wird der Februar wohl zum schönsten Monat im ganzen Jahr“, heißt es da. Das sei „unbezahlbar“. Andere Gäste schreiben: „Wir haben Leute kennengelernt, die wir sonst nie treffen würden.“ Eine Frau sagt, dass ihr das Essen in der Gemeinschaft viel besser schmeckt als sonst, zu Hause, ganz allein am Tisch. Mit solchen Aussagen fühlen sich die „Macher“ in ihrem Tun bestätigt, auch wenn Dekan Tsalos darauf verweist, dass sich die Vesperkirche in Kirchheim nicht mit der in Stuttgart vergleichen lässt: „Dort kommen Leute, die wirklich auf der Straße leben und die dankbar dafür sind, dass sie sich in einem geheizten Raum aufhalten können.“
In Kirchheim geht es tatsächlich um die Begegnungen und um die Gespräche, sei es untereinander am Tisch oder auch mit dem Pfarrer oder der Pfarrerin, die am jeweiligen Tag „gesprächsbereit“ sind. Sie kommen bereits morgens zur Teamrunde und bleiben bis zum Schluss. An der Eingangstür ist ein Bild von ihnen zu sehen und ihr Name zu lesen, sodass die Gäste wissen, wen sie im Zweifelsfall ansprechen können. Zum Angebot der Seelsorger gehören auch das liturgische Gebet um 12 Uhr und das „Wort zur Mitte des Tages“ um 13 Uhr.
Gemeinsames „Grundrauschen“
Geöffnet hat die Vesperkirche von Sonntag, 28. Januar, bis Sonntag, 11. Februar, täglich von 11.30 bis 14 Uhr. Kaffee und Kuchen gibt es im Anschluss an das Essen nicht mehr am Büffet, beides wird am Tisch serviert – mit Erfolg: „Seit wir das so machen, hat sich der Kaffeeverbrauch verdoppelt“, freut sich Uli Häußermann. Und noch etwas freut ihn ungemein: die Aussicht auf das „allgemeine Gemurmel“ in der Thomaskirche, als eine Art „Grundrauschen“. Das war zu Corona-Zeiten ganz anders: „Da gab es oft eine peinliche Stille.“ Diese Stille sollte jetzt überwunden sein, durch anregende Gespräche.
Uhrzeiten und Telefonnummern
Ein kostenloser Bus fährt über folgende Stationen täglich von Lindorf zur Thomaskirche: Lindorf Kreissparkasse (11.50 Uhr), Ötlingen Apotheke (11.53 Uhr), Stadthalle (11.56 Uhr), Martinskirche (11.58 Uhr), Teckstraße (12.01 Uhr), Eichendorffstraße (12.02 Uhr), Tannenbergstraße (12.03 Uhr), Freiwaldaustraße (12.05 Uhr). Die Rückfahrt in umgekehrter Richtung beginnt um 13.50 Uhr.
Helge Thun tritt im Rahmen des Projekts „Ansprech-Bar für Demokratie“ am Donnerstag, 1. Februar, als „Held der Komik“ in der Thomaskirche auf. Einlass ist um 18 Uhr, Beginn um 19.30 Uhr. Karten sind in der Vesperkirche erhältlich.
Gottesdienste gibt es an den drei Vesperkirchensonntagen, 28. Januar sowie 4. und 11. Februar, direkt in der Thomaskirche. Beginn ist jeweils um 10.30 Uhr.
Zwei Telefonnummern sind wichtig: 01 55/66 22 50 68 für alle Mitarbeiterfragen sowie 01 57/37 73 10 60 für den Fahrdienst, der Menschen mit Gehbehinderung an der Haustür abholt. vol