Kirchheim
Viel Lärm um nichts bei der Impfpflicht

Corona Die einrichtungsbezogene Pflicht einer Impfung hat unter den Betroffenen für mächtig Wirbel gesorgt. Umsonst, wie sich mittlerweile zeigt. Denn Konsequenzen gibt es allenfalls in homöopathischen Dosen. Von Antje Dörr

Weil Patientinnen und Patienten, Menschen mit Behinderungen und Pflegebedürftige besser vor einer Covid-19-Infektion geschützt werden sollen, sind die Menschen, die sich um sie kümmern, seit 15. März verpflichtet, den Nachweis über eine vollständige Corona-Impfung oder Genesung beziehungsweise ein Attest vorzulegen, dass sie aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Geschieht das nicht, muss der Arbeitgeber es dem Gesundheitsamt melden. Bisher sind dem Amt in Esslingen 1098 Menschen gemeldet worden, die keinen Nachweis erbracht haben. 

Und jetzt? Im Vorfeld hatten Betroffene und Impfgegner für mächtig Wirbel gesorgt. In den sozialen Medien und auf Demonstrationen hagelte es Kritik, teilweise wurden in Zeitungen massenweise Anzeigen geschaltet, in denen ungeimpfte Pfleger, Arzthelferinnen oder Hebammen nach neuen Jobs suchen. Dreieinhalb Monate später wird klar: Die Mühe hätten sie sich sparen können. Denn Konsequenzen gibt es praktisch keine. „Das Gesundheitsamt hat bisher keine Tätigkeits- beziehungsweise Betretungsverbote ausgesprochen. Es wurden bisher fünf Bußgeldbescheide erlassen“, teilt die Sprecherin des Landratsamts, Andrea Wangner, auf Anfrage mit. 

 

Die Patienten sind sicher bei uns.
Sebastian Krupp, Geschäftsführer der Medius-Kliniken

 

Wangners Chef, Heinz Eininger, macht keinen Hehl daraus, dass er nicht viel von der Sache hält. Mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht mit Sanktionen bis hin zum Berufsverbot würden Mitarbeitende in Pflegeberufen benachteiligt, so der Esslinger Landrat. Dadurch verschärfe sich die ohnehin schon angespannte Personalsituation. Zudem bereite die Erhebung und Nachverfolgung nicht geimpfter Mitarbeitender in den entsprechenden Einrichtungen einen erheblichen Verwaltungsaufwand. „Diese Ressourcen könnten wir in der Pandemiebewältigung sinnvoller einsetzen“, findet Eininger.

Der bürokratische Aufwand ist auch Sebastian Krupp, Geschäftsführer der Medius-Kliniken, ein Dorn im Auge. Trotz einer Impfquote von 94 Prozent haben die Medius-Kliniken im März 194 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter melden müssen. „Möglicherweise ist die Zahl mittlerweile geringer als gemeldet. Manche waren damals noch nicht vollständig geimpft, andere sind mittlerweile wahrscheinlich genesen“, sagt Pressesprecherin Iris Weichsel. 

Sebastian Krupp sagt, er sei nicht sicher, ob die Impfpflicht den Patienten wirklich nütze. „Alle unsere Hygieneregeln sind unverändert“, sagt er. „Und wenn die eingehalten werden, spielt die Impfung erst mal keine große Rolle.“ Nach wie vor gelte FFP-2-Maskenpflicht für Mitarbeitende und Besucher, auch in der Verwaltung. Alle Personen, die geimpft oder genesen sind, testen sich zwei Mal wöchentlich. Ungeimpfte testen sich täglich. „Die Patienten sind sicher bei uns“, sagt er. Was die einrichtungsbezogene Impfpflicht angeht, hätte Krupp gerne Klarheit, wie es weitergeht. „Ich sehe eine Verlängerung nur vor dem Hintergrund, dass auch für die vulnerablen Gruppen eine Impfpflicht eingeführt wird“, sagt Krupp. „Wie sollen wir das sonst unseren Mitarbeitenden vermitteln?“ 

Bei der Diakoniestation Teck, die ambulante Pflege und Hauswirtschaft anbietet, sieht man das Thema einrichtungsbezogene Impflicht recht gelassen. Vier Mitarbeitende hat Geschäftsführer Michael Fischer ans Gesundheitsamt melden müssen. „Das ist bei 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein verschwindend geringer Anteil“, findet er. Die Impflicht hält er für „ein Ding mit gutem Symbolcharakter“.  Aber mit Omikron sei natürlich fraglich, wie weit die Impfung tatsächlich vor Ansteckung schütze.