Schule
Viele setzen sich selbst unter Druck

Psychische Belastungen bei Schülerinnen und Schülern sind nicht nur an Gymnasien, sondern auch an ­Realschulen ein Thema. Oft kommt der Druck auch aus dem Elternhaus.

Laut dem jüngsten Deutschen Schulbarometer der Robert-Bosch-Stiftung fühlt sich jeder fünfte Schüler psychisch belastet. Symbolfoto: Tobias Tropper

Jeder fünfte Schüler fühlt sich psychisch belastet: Das geht aus dem jüngsten Deutschen Schulbarometer der Robert-Bosch-Stiftung hervor. Demnach sorgt sich ein Drittel der Befragten über die Kriege in der Welt und die Klimakrise. Auch der hohe Leis­tungsdruck in der Schule bereitet Probleme: Vielen macht es offenbar Sorgen, in der Schule keine guten Leistungen zu erbringen. Besonders betroffen waren den Autoren zufolge Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren.

Lilli Hähnel, die die zwölfte Klasse des Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasiums (LUG) besucht und ehemalige Schülersprecherin ist, kann bestätigen, dass psychische Belastungen in den vergangenen Jahren zugenommen haben – auch am LUG. „Dieses Thema hat schon in der Corona-Zeit an Bedeutung gewonnen, weil das Homeschooling für viele schlecht war“, blickt sie zurück. Ein grundsätzliches Problem sieht sie darin, dass in der Gesellschaft das Wettbewerbs- und Anspruchsdenken stark verankert sei. Auch viele Eltern würden ihr Kind unnötig unter Druck setzen: „Sie wollen nicht die Note 2+, sondern 1− oder gleich eine 1.“ Schon wenn der Nachwuchs die erste Klasse besucht, sei für viele Eltern klar, „dass das Kind später aufs Gymnasium geht“.

Bildungsplan gedehnt

Dieses jedoch sei nicht für jeden die richtige Wahl: „Viele gehen aufs Gymi, obwohl sie auf der Realschule besser aufgehoben wären.“ Die Grundschulempfehlung mit mehr Verbindlichkeit, die in Baden-Württemberg kommen soll, sei ein Schritt in die richtige Richtung, betont die 18-jährige Lilli Hähnel. Sie glaubt auch, dass die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9) „zu einer Besserung beitragen wird“.

Auch LUG-Schulleiter Martin Roll sagt, dass durch G9 „Druck aus dem Gymnasium genommen wird“. Der Bildungsplan werde dadurch gedehnt, was sich für Schülerinnen und Schüler, die unter Leistungsdruck stehen, vorteilhaft auswirken werde. Freilich gebe es Schüler, die mit einer falschen Empfehlung ans Gymnasium kommen und die den Erwartungen nicht gerecht werden können: „Der Wunsch der Eltern ist oft größer, obwohl eine andere Schulart vermutlich sinnvoller wäre. Das ist den Eltern leider oft nicht bewusst.“

Entspannungsangebote

Am LUG gebe es vereinzelt Schüler, die psychisch belastet seien und sich deshalb in Behandlung befinden. Es handle sich aber längst nicht um jeden fünften, betont Roll und ergänzt: „Das wären bei uns 200 Schüler. Ich sehe das nicht so dramatisch wie die Robert-Bosch-Stiftung.“ Was er aber auch oft beobachtet, sei ein von den Schülern oder dem Elternhaus selbst gesetzter Leistungsdruck. Das LUG hat deshalb Entspannungsangebote in der Mittagspause eingeführt: „Das Programm läuft seit einem Schuljahr und wird gut angenommen.“ Auch an die Schulsozialarbeiter, eine Beratungslehrerin und die Schulseelsorge können sich betroffene Schüler wenden.

 

Auch an Realschulen steigt die Zahl der Fälle

Psychische Belastungen bei Schülern treten nicht nur an den Gymnasien, sondern auch an den Realschulen auf. Das bestätigt Marlon Lamour, Leiter der Kirchheimer Freihof-Realschule: „Ich würde schon sagen, dass die Anzahl der Fälle in den vergangenen Jahren zugenommen hat – insbesondere nach Corona“. An der Freihof-Realschule seien vor allem Mädchen im Alter von 13 und 14 Jahren betroffen. Eine gewisse Schulangst sei bei manchen zu beobachten, was sich auch dadurch äußere, dass sich Betroffene ritzen, um den Druck loszuwerden. „Da hatten wir vereinzelt Fälle“, informiert Marlon Lamour. Ob jedoch jeder fünfte Schüler an der Freihof-Realschule psychisch belastet sei, „da mache ich ein Fragezeichen – ich hoffe, es ist nicht so“.

Marlon Lamour ist der Überzeugung, dass sich die Schulkultur ändern müsse, um den Druck zu senken: „In der Schule sollen sich die Kinder wohlfühlen. Nur dann können sie gut lernen.“ Er animiert dazu, etwa in Nebenfächern alternative Leistungsmessungen zu machen: also anstatt Klassenarbeiten eine Präsentation. Dies könne zu einer Entzerrung beitragen, damit sich Klassenarbeiten nicht zu sehr häufen. Generell müssten die Prüfungsformate angepasst werden, um das Lernen zu verändern. Lamour spricht von projektorientiertem Arbeiten, auch fächerübergreifend, um andere Impulse zu bekommen. Weitere Punkte seien, die Beziehungsqualität zu stärken durch eine starke SMV und eine große Beteiligung der Schüler. „Schule ist nicht nur ein Lernort, sondern ein Lebensraum.“ hei