Kirchheim
Vom glücklichen Prinzen und barocken Affekten

Konzert Musik und Märchen standen bei der Soirée mit Bernhard Moosbauer und Barbara Straub auf dem Programm.

Kirchheim. „Music and Fairy Tales from Britain“ – unter diesem Motto hatten Bernhard Moosbauer und Barbara Straub zu einer literarisch-musikalischen Soirée in den Kirchheimer Spitalkeller geladen.

Oscar Wildes Kunstmärchen „Der glückliche Prinz“ bildete das literarische Zentrum des Abends. Wer annahm, Wilde fröne einem selbstverliebten Ästhetizismus, der gesellschaftliche Belange einem Kult des Schönen unterordne, wurde eines besseren belehrt. Tatsächlich übt der Text Kritik an einer Gesellschaft, die unmenschliche Verhältnisse produziert und duldet.

Der vermeintlich glückliche Prinz ist ein kostbar geschmücktes Standbild, das über einer großen Stadt thront. Wilde hatte dabei wohl London im Sinn. Eine Schwalbe macht bei der Statue Rast. Eigentlich will sie in Ägypten überwintern. Doch der Prinz macht sie auf das Leid der Menschen aufmerksam und bittet sie, sein Bote zu sein. Der Prinz lässt all seinen Reichtum den Armen zukommen. Die Schwalbe muss seine beiden saphirnen Augen entfernen, um einen hungernden Künstler und ein bettelndes Mädchen zu beschenken. Zuletzt lässt er den Vogel gar seine Haut aus Blattgold abtragen, um damit das Elend zu mindern. Berührt von der Selbstlosigkeit des Prinzen gibt die Schwalbe ihre orientalischen Träume auf und dient ihm bis zum Wintereinbruch bis zum Tod.

Mit dem schmucklosen Standbild, dessen Herz zudem zerbrochen ist, wissen die bornierten Stadtväter ebenso wenig anzufangen, wie mit dem toten Vogel. Für den Wert des doppelten Selbstopfers haben sie keinen Sinn. Doch das letzte Wort in Wildes Märchen hat die geistige Welt. Ein Engel soll Gott die kostbarsten Dinge der Stadt bringen. Er wählt das gebrochene Herz und die erfrorene Schwalbe. Beide sollen fortan im Paradies wohnen.

In seine Rezitation hatte Moosbauer dramaturgisch geschickt die musikalischen Beiträge eingeflochten. Dem jenseitigen Pathos entsprachen Choralvariationen von William Brade. Ihr virtuoses Gepränge verdanken sie der Technik der Diminuition, also der Verkleinerung der Notenwerte. Brades Nachfolger bei der Hamburger Ratsmusik, Johann Schop, war mit seiner „Pavaen Lacrime“ vertreten. „Diese Variationen beruhen auf einem Hit der damaligen Zeit“, ließ Moosbauer das Publikum wissen. Und in der Tat wird John Dowlands „Flow my tears“ auch heute noch als Evergreen gehandelt.

Moosbauer, eine Koryphäe der barocken Violinliteratur, erwies sich als kundiger Interpret, der die Signatur barocker Affekte plastisch erfahrbar machen konnte. Auch in der Solosonate des als „Orpheus Britannicus“ gefeierten Multitalents Henry Purcell oder in der gemeinsam mit Barbara Straub vorgetragenen Sonata in F von Johann Christoph Pepusch kamen Vielfalt des Ausdrucks und ein transparentes, der historischen Aufführungspraxis geschuldetes Klangbild zusammen.

Mit zwei Solo-Kompositionen von William Byrd gab Barbara Straub zudem kunstvollen Einblick in die Welt des Fitzwilliam Virginal Book, das ein Panorama englischer Musik für Tasteninstrumente von der späten Renaissance bis zum frühen Barock bietet. Georg Friedrich Händels „Grave“ aus der Sonate in d-Moll bildete den würdigen Abschluss einer Soirée, der das Kunststück glückte, hohen Anspruch mit ansprechender Unterhaltung spielerisch zu verbinden. Florian Stegmaier