Die verlorene Zeit wiederzufinden, ist ein ambitioniertes Unterfangen. Zum Ende des Jahres halten Mitglieder des Kunstvereins Kirchheim Rückblick. Die Werkschau „Zeitmarken“ führt in der Galerie Diez 23 Ansätze vor Augen, sich der entfliehenden Zeit ästhetisch zu versichern. Relevant wird es, wenn das Thema nicht nur illustrative Behandlung findet, sondern die Zeit zur Spur gerinnt. Dann kann Kunst als Ausdruck individueller Lebensprozesse erfahrbar werden.
Ein Aspekt ist der Bezug auf rhythmische Qualitäten der Zeit. Als kosmische Zeitmarken gelangen die zwölf Tierkreiszeichen in Richard Umstadts Stele zu erhabener Präsenz, wohingegen Rosemarie Beißers 52 „Wochenberichte“ einen ironisch-heiteren Blick auf das Kalenderjahr werfen. Die einzelnen Tage des Jahres verdichtet Birgitt Wester zur detailverliebten All-over-Struktur, aus der das Peace-Zeichen als hoffnungsvolles Fanal aufscheint. Raum greift die Zeit in Kerstin Starkerts Beitrag. Wuchernde Malreste sprengen dort die Grenzen des Zweidimensionalen, als unbewusste Spuren künstlerischer Produktion bezeugen sie bei Marietta Groh den Prozess der Bildwerdung. Raum und Zeit verschmelzen in der Malerei von Angela Hildebrandt zur pulsierenden Textur, die der prozesshaften Schichtung zahlloser Lasuren abgerungen wurde. Einer ähnlich kontemplativen Haltung sind Elke Kochs zeichnerische Erkundungen seelischer Tiefenschichten verpflichtet. In ihrer Unmittelbarkeit und Eleganz wissen die Bilder von Hanni Derr und Sandra Rau zu beeindrucken. Den gesellschaftlichen Wandel nach der Corona-Pandemie komprimiert Iris Alvarengas Ölgemälde. Eine durchdachte Hängung platziert es neben den minutiös festgehaltenen Beobachtungen von Ute Beate Barz. Kreativ Überschüssiges und wiedergefundene Fotos haben Özgül Altunkas-Raichle und Birgitta Goerke in ihren Collagen einem gedeihlichen Wachstumsprozess unterzogen. Der Kunst des gezielten Rettens und Sammelns huldigen die Installationen von Judith Wenzelmann und Christian Pomplun. Inszenieren solche Wunderkammern eine kuriose Dingwelt als vermehrungsfähiges Personal, nähern sich Monika Knape-Fischer, Sabine Vosseler-Waller und Stephanie Koelle dem Verhältnis von Kunst und Zeit unter der Prämisse bewusster Reduktion. Dem Zahn der Zeit hat Roswitha Eberspächer künstlerische Mitsprache eingeräumt, indem sie ihre Bilder dem Regen aussetzte. Mit der Thematisierung sozialer und ökologischer Fragen beweisen Lene Rose Gruner und Monika Ziegler wache Zeitgenossenschaft. In Tagebauchauszügen und Aquarellskizzen reflektiert Inge Kodera auf den Wandel des Lebens und der Natur. Ein tätiges Ergreifen der Zeit, wie ihm auch Lili Gebhard im Medium der Lyrik poetischen Nachdruck verleiht.
Info Die Ausstellung „Zeitmarken“ mit Künstlermitgliedern des Kunstvereins Kirchheim ist noch bis einschließlich Sonntag, 17. Dezember, in der Galerie Diez in Dettingen samstags und sonntags jeweils von 14.30 bis 18.30 Uhr zu sehen.