Lesung
Von Lebenswegen, Abwegen und Notausgängen

Der freie Schriftsteller Joachim Zelter stellt im Max-Eyth-Haus in Kirchheim seinen Roman „Staffellauf“ vor.

Joachim Zelter mit seinem „autofiktionalen“ Roman. Foto: pr

Auf Einladung des Literaturbeirats der Stadt Kirchheim hat Joachim Zelter im Max-Eyth-Haus aus seinem neuesten Roman „Staffellauf“ vorgelesen.

Jakob hat seine Magisterarbeit abgeschlossen. Es folgt die Promotion. Es winkt sogar eine Karriere an der Hochschule – doch er lehnt ab. Er möchte diese Stelle nicht, fühlt sich unentschlossen, teilnahmslos, müde. Wie soll er das seinen Professoren mitteilen? In seinem „autofiktionalen“ Roman „Staffellauf“ beschreibt der 1962 in Freiburg geborene Schriftsteller diesen inneren Konflikt einfühlsam und anschaulich.

Siebte Klasse wiederholen

Der Autor Joachim Zelter, gleich Jakob, war kein guter Schüler. Er musste die siebte Klasse wiederholen, schaffte dann aber die mittlere Reife, das Abitur und sogar den Zugang zur Universität. Aber spätestens beim wissenschaftlichen Arbeiten an seiner Magister- und später Doktorarbeit bemerkt er, dass die „endlose Abfolge von Kapiteln und Zwischenkapiteln und Fußnoten und Querverweisen und Bibliografien und Vorworten und Zwischenworten und Nachworten“ nicht seine Welt sind – daher sein Entschluss, den für die angebotene Stelle wichtigen Vortrag völlig unvorbereitet zu halten, ohne Manuskript. Doch Professor Siebert nennt den Vortrag „ungewöhnlich, geistreich und verwegen“ und es geschieht das Unfassbare: Der Ausschuss entscheidet sich für Jakob. Der starke Raucher bemerkt eine nie dagewesene Kurzatmigkeit und fühlt sich um Jahre gealtert. Mit der Diagnose „Spontanpneumothorax“ fällt es ihm leicht, die ihm angebotene Stelle aus gesundheitlichen Gründen nicht anzutreten.

Lebenswege, Abwege und ­Notausgänge

Stattdessen ist Zelter seit 1997 als freier Schriftsteller und Autor von Romanen, Theaterstücken und Hörspielen tätig und hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten. „Staffellauf“ beschreibt Lebenswege, Abwege und ­Notausgänge, erzählt vom Werden und Gewordensein, von Müttern, Vätern und Kindern, von Heiratsanträgen, Höhenflügen, Niederlagen, Seitensprüngen und Lebenslügen. 

Der erste Teil spielt 1961. Ein junger Mann kommt in Bernadettes Atelier und gibt vor, ein Liebhaber der Malerei zu sein. In Wahrheit gilt Karl Staffelsteins Interesse aber der jungen Künstlerin. Eines Tages erscheint er mit einer riesigen ­Pralinenschachtel, und seine Worte „Wir würden doch gut zusammenpassen“ ­sollen als Heiratsantrag gemeint sein. Bernadette zögert lange, willigt aber schließlich ein und die beiden heiraten. Im folgenden Jahr wird ihr Sohn Jakob geboren. Der zweite Teil spielt 30 Jahre später. Sohn Jakob steht vor der Entscheidung, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Der Rest ist bekannt.

Die interessante und kurzweilige Lesung samt lebhafter Diskussion endete mit lang anhaltendem Applaus. pm