Ist das Kunst, oder kann das weg - diese flapsige Redewendung kann in abgewandelter Form für das Waldhorn am Kirchheimer Marktplatz angewendet werden: Ist das fertig, oder kommt da noch Farbe dran?
Am neuen Waldhorn, das jetzt „Holz und Feuer“ heißt, scheiden sich die Geister: Die einen finden‘s gelungen, die andern halten es für einen Fremdkörper, der nicht ins Fachwerkensemble in dieser Ecke des Kirhheimer Markplatzes passt. Foto: Carsten Riedl
Seit das Gerüst vor der neuen Gaststätte „Holz und Feuer“ entfernt ist, bleiben regelmäßig die Passanten davor stehen und schauen sich bewusst die Fassade an. Die Urteile fallen unterschiedlich aus, Kopfschütteln ist regelmäßig zu beobachten, und viele sind der Ansicht: Das Ding ist noch nicht ganz fertig. Andere wiederum finden den „Stilbruch“ ganz interessant und sehen Farbe und Architektur als modernen Akzent im Fachwerkambiente.
Wer Mäuschen spielt, ist überrascht, wie fundiert mancher Kommentar ausfällt, und wie viel Gedanken sich die Kirchheimer und auch auswärtige Gäste über dieses exponierte Gebäude machen. Zu breit sei es ausgefallen und zu niedrig im Vergleich zu den Nachbarhäusern. Ein andermal fällt das Stichwort Altstadtsatzung, nach der eigentlich alles geregelt sein sollte. Aus diesem Grund herrscht in der Gruppe Verwunderung über diesen neuen Baukörper im Herzen der Stadt. Es werden sogar konstruktive Vorschläge gemacht: schmaler und dafür dreistockig bauen, Gaststätte und Hotel mit einem Flachdach verbinden, sodass das Fachwerk des Hotels richtig schön zur Geltung kommen kann.
Um die Meinungen der Passanten einfangen zu können, haben wir uns auf dem Marktplatz „ganz offiziell“ umgehört. „Das ist optisch toll für Kirchheim - definitiv“, macht Bettina Cicero aus ihrer Begeisterung keinen Hehl. Ihr Mann Antonello Cicero ergänzt: „Das sieht gut aus, sehr modern gegenüber vorher.“ Beide finden das Gebäude absolut gelungen, und es interessiert sie, wie es wohl von innen aussieht. „Wir werden auf jeden Fall mal reingehen“, sind sie sich einig. Sie machen sich sogar Gedanken, wann sich die Kosten für den Wirt wohl tragen.
Die Meinung des Handwerksmeisters Christian Seyfang aus Nabern fällt differenziert und fachmännisch aus. „Es sieht nicht schlecht aus, es hat was - ist aber noch nicht fertig“, sagt der Maler und Lackierer, der selbst schon einige Fachwerkhäuser in der Kirchheimer Innenstadt saniert hat. Er fragt sich, warum das Gerüst weg ist, vermutet jedoch, dass das Haus auf Weihnachten davon befreit sein sollte und im Frühjahr noch mal angerüstet wird. „Die Schrauben sind noch silbrig, den Handwerkern ist die Zeit ausgegangen“, sagt er. Beim Fachwerk hat Christian Seyfang Bedenken wegen der Schlitze, da könnte schon nach wenigen Jahren was passieren, was ihn in seiner Vermutung bestärkt, dass das Gebäude noch nicht ganz fertig ist. Deshalb will er auch noch kein abschließendes Urteil abgeben. „Das Ständerwerk ist jetzt wesentlich besser. Das Alte war recht dilettantisch, das passte nicht zum Drumrum dazu und hatte keine statische Glaubhaftigkeit“, erklärt er und kommt zum Schluss: „Ich finde das Gebäude chic. Man muss es jetzt halt noch sauber machen.“
„Hier wurde den Kirchheimern ein Objekt aufs Auge gedrückt, das sich in keinster Weise mit dem historischen Umfeld, sprich den Fachwerkbauten und ihrer Kleinteiligkeit, auseinandergesetzt hat“, kritisiert Anne Hermann und verweist auf das Ensemble in diesem Bereich des Markplatzes. Versagt hätten nicht nur die Architekten, sondern auch die Berater und die Bauverwaltung, die ein solches Objekt genehmigt haben. „Wo bleibt die Umsetzung der noch vor gar nicht so langer Zeit erlassenen Gestaltungssatzung? Bis weit über Kirchheim hinaus sind meine Bekannten, die das Bild in der Zeitung gesehen haben, entsetzt“, fragt sie.
Ganz begeistert vom neuen Waldhorn sind dagegen Monika und Andreas Rommel aus Schlierbach. Schon von der Ferne ist ihnen das Gebäude aufgefallen. „Das hat Spannung - alt und neu. Das ist toll rausgekommen“, lautet ihr Urteil. Die beiden kommen regelrecht ins Schwärmen: „Das ist architektonisch ganz arg gut gelungen und fügt sich rein ins Bild.“ Der Marktplatz werde dadurch aufgewertet. „Das ist kein moderner Schandfleck, das Haus ist perfekt angepasst“, sind sich die beiden einig.
Silvia Reister aus Dettingen ist in ihrem Urteil über das Waldhorn kurz und prägnant: „Ich finde es ganz schön, weil es größere Fenster hat.“ Sie hat auch schon eine Meinung über die Innenausstattung, denn sie hat die Gaststätte mit ihrer Mutter und ihrer Tochter soeben besucht: „Ein bissle urig“, sagt sie.