Kirchheim. Hätte es vor 300 Jahren schon Chartlisten gegeben, wären die Namen der Komponisten, die im Alten Gemeindehaus zur Aufführung kamen, bestimmt vertreten gewesen. Antonio Vivaldi, François Couperin, Johann Pachelbel, Georg Friedrich Händel und Johann Sebastian Bach waren die wohl wichtigsten und bekanntesten Komponisten und Virtuosen des musikalischen Barocks in Europa.
Im Mai 1723, ziemlich exakt vor 300 Jahren, trat Johann Sebastian Bach sein Amt als Thomaskantor in Leipzig an, eine Entscheidung, der wir einige der wichtigsten Kompositionen der Musikgeschichte verdanken. Bei Hanzo Kim, Bezirkskantor in Nürtingen, am Cembalo sowie Dr. Bernhard Moosbauer, Musikwissenschaftler und Violinist, lag die Ausführung der Werke in besten Händen. Für die Auswahl und die interessanten Einführungen zeichnete Bernhard Moosbauer verantwortlich.
Um bei der Überschrift zu bleiben: Was zeichnet einen musikalischen „Hit“ von vor 300 Jahren oder auch von heute aus? Man schreibe eine interessante, ausdrucksstarke Melodie, füge eine eingängige Basslinie dazu, komponiere eine „hookline“, die ins Ohr geht, und lasse das Werk von guten Musikern oder Musikerinnen aufführen.
Das alles war am Konzertabend gegeben. Eine Sonate für Violine und Basso Continuo aus dem überaus reichhaltigen Schaffen des venezianischen Meisters Antonio Vivaldi, gespielt auf dem Cembalo, eröffnete den Abend. Seine Berühmtheit verschaffte ihm sogar eine Erwähnung in einem zeitgenössischen Reiseführer über Venedig. Aus den sogenannten „Manchestersonaten“, benannt nach ihrem heutigen Aufenthaltsort, erklang die Sonate in d-moll. Hier zeigte sich Vivaldi als ein Meister unerschöpflicher Melodien und – wie alle Großen – in der kreativen Gestaltung damals bekannter Musikformen und Tanzsätze.
Virtuoses Spiel
Eine schöne, ausdrucksvolle Ausgestaltung der Kantilen in den langsamen Sätzen sowie die fast spielerische Bewältigung virtuoser Anforderungen in den raschen Sätzen zeichnete das Spiel von Bernhard Moosbauer aus. Schnelle Spielfiguren, rasche Lagenwechsel, Doppelgriffe, der oft überraschende Wechsel in andere Tonarten sowie häufig kurze, eher leise komponierte Schlusswendungen verlangten dem Violinisten alles ab.
Hanzo Kim und Berhard Moosbauer „feuerten“ sich dabei gegenseitig aufs Spannendste als Kammermusikpartner an. Hanzo Kim war bei allen Werken des Abends am Cembalo ein sehr wacher, einfühlsamer Partner, der seinen Stimmenpart kreativ und virtuos ausfüllte. Sein Können als Solist stellte er bei einem Werk des Pariser Hofkomponisten, François Couperin, sowie bei einer „Ciacona“ des Nürnberger Cembalo- und Orgelmeisters Johann Pachelbel unter Beweis. Das geheimnisvolle „Les Baricades Misterieuses“ erzeugt durch seine formale Anlage ein schillerndes Geflecht aus Melodie und Harmonie in häufigen Wiederholungen von Refrain und Versen. Er modellierte durch sein Spiel die Struktur klar zeichnend und erzielte dadurch interessante, in die Romantik weisende Klangwirkungen. Bei Pachelbel bestach der musikalische und virtuose Umgang mit den vielen Variationen über ein schlichtes Bassthema, der überaus farbige Klänge entstehen ließ.
In der gemeinsam musizierten Sonate von Couperin konnte, wie bei den anderen Werken auch, das genaue Miteinander beim Musizieren, das Aufgreifen der Motive und Themen bewundert werden, was dem Werk seine Brillanz und Wirkung verlieh. Die Interpretation der Sonaten der „barocken Schwergewichte“, Bach und Händel, überzeugte durch die lebhafte Spielfreude und technisch perfekte Darbietung der Ausführenden. Viel Beifall belohnte die Interpreten für die Präsentation barocker Meisterwerke. Winfried Müller