Lieber den Spatz in der Hand als gar kein Gefieder – Die politischen Vertreter im Landkreis wollen nicht warten, bis sich bei einer möglichen Schienenverbindung zwischen Kirchheim und Göppingen eine Gesamtlösung abzeichnet. Eine Verlängerung der S-Bahn-Linie 1 über Kirchheim hinaus bis nach Weilheim wäre deutlich schneller machbar.
Der knapp acht Kilometer lange Streckenabschnitt weist in einem vor zwei Wochen vorgestellten Gutachten den größten Kosten-Nutzen-Faktor aller untersuchten Teilabschnitte auf. Vor allem deshalb, weil die 1982 für den Personenverkehr stillgelegte Trasse nicht vollständig neu gebaut werden müsste. Laut Stefan Tritschler, Geschäftsführer des Verkehrswissenschaftlichen Instituts in Stuttgart, das das Gutachten gemeinsam mit der Bahn erstellt hat, wäre eine Inbetriebnahme der Strecke innerhalb von 15 Jahren denkbar. Das klingt nach einem langen Zeitraum, gilt angesichts jahrzehntelanger Planungsphasen im Nahverkehr allerdings als Wimpernschlag.
„Das ist mehr als der Spatz in der Hand. Das ist eine Riesenchance.“ Bernhard Richter, Fraktionschef der Freien Wähler im für Verkehrsfragen zuständigen Finanzausschuss des Esslinger Kreistags, sprach seinen Kolleginnen und Kollegen aus der Seele. Die Zustimmung zum Weilheimer Teilabschnitt, über den nun weiter verhandelt werden soll, fiel quer durch alle Fraktionen.
Auf eine Gesamtlösung zu hoffen, bedeute einem Phantom hinterherzurennen. „Dadurch verlieren wir nur wertvolle Zeit“, fasste CDU-Chef Sieghart Friz die Meinungen in der Fraktion zusammen. Im Nachbarkreis Göppingen sieht man das anders. Der Verkehrsausschuss im dortigen Kreistag hatte sich bereits am
Klar favorisiert wird die Weilheimer Teilstrecke auch von Grünen, SPD, FDP, AfD und Linke. Sozialdemokraten und Grüne wollen sich neben einer S-Bahn-Lösung allerdings anderen Alternativen für den Schienenbetrieb nicht vorzeitig verschließen. Für Grünen-Sprecher Rainer Moritz soll auch die Durchbindung der Lenninger Teckbahn bis nach Weilheim ein Teil der Debatte bleiben. Dafür wäre für Fahrten aus Weilheim in Richtung Neckartal und umgekehrt allerdings ein Umstieg am Kirchheimer Hauptbahnhof nötig. Die Verknüpfung des Schienenstrangs mit der Teckbahn war bisher nicht Teil der Untersuchungen. Mit diesem Thema will sich der Verband Region Stuttgart erst in den kommenden Wochen beschäftigen.
Mit einem Umstieg in Kirchheim verknüpft wäre auch eine deutlich günstigere Stadtbahnlösung, für die dann nicht der Regionalverband, sondern Landkreis und Kommunen zuständig wären. Für SPD-Sprecher Steffen Weigel hängt daran auch die Frage, ob die Strecke nach Weilheim für den Güterverkehr nutzbar wäre. Dass eine Ausleitung vor den Toren Weilheims in Richtung des geplanten Gewerbeparks Rosenloh möglich wäre, hat die Studie gezeigt. Bei einem 30-Minuten-Takt, der dem Gutachten zugrunde liegt, wäre es trotz eingleisiger Verbindung möglich, Güterverkehr durchzufädeln, wie der Verkehrsexperte Stefan Tritschler betont. Dafür müsste die Strecke aber wie vorgesehen nach Eisenbahnrecht und nicht als reine Stadtbahntrasse betrieben werden. Das gilt auch für einen möglicherweise weiteren Verlauf in Richtung Göppingen. Auch Aichelberg plant auf einer Fläche von 45 Hektar in Autobahnnähe ein interkommunales Gewerbegebiet.
Den Güterverkehr auf der Strecke sehen vor allem die Freien Wähler mit Blick auf den dann nötigen Lärmschutz kritisch. „Eine Güterstrecke quer durch Kirchheim und Jesingen kann ich mir nicht vorstellen“, meinte Bernhard Richter, der sich sicher ist: „Da werden jetzt schon die Messer gewetzt.“
Wächst die Chance auf den Ringschluss?
Mit der Belebung der Bahnverbindung zwischen Kirchheim und Weilheim könnte in naher Zukunft auch die Debatte über einen möglichen Schienen-Ringschluss von der Landeshauptstadt über die Filder und den Flughafen bis nach Kirchheim neu aufflammen. Das Vorhaben ist politisch gewünscht, gilt jedoch als technisch schwierig und angesichts der Kosten und zu erwartenden Fahrgastzahlen als unwirtschaftlich.
Eine Verlängerung der S-Bahn nach Weilheim oder gar eine mögliche Durchbindung bis nach Göppingen könnte das ändern. Dadurch wäre von deutlich mehr Fahrgästen auszugehen als bisher. „Die Reaktivierung der Bahnverbindung nach Weilheim hätte sicherlich einen positiven Effekt auf die Bewertung“, meint Stefan Tritschler, der Geschäftsführer des Verkehrswissenschaftlichen Instituts in Stuttgart, das die Studie erstellt hat. „Wie groß dieser Effekt sein wird, lässt sich im Moment allerdings nicht sagen“, betont er. bk