Politik
Wahl wegen Richterin Brosius-Gersdorf verschoben: Alles richtig gemacht oder großen Schaden angerichtet?

Die kurzfristig vertagte Wahl zweier Verfassungsrichterinnen und eines Verfassungsrichters im deutschen Bundestag hat hohe Wellen geschlagen. Die hiesigen Abgeordneten der beiden Regierungsparteien, Nils Schmid (SPD) und Matthias Hiller (CDU), bewerten dies ganz unterschiedlich. 

Nahaufnahme vom bekannten Steinblock vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe

Gegenüber dem Teckboten haben sich die Bundestagsabgeordneten der beiden Regierungsparteien im Wahlkreis Nürtingen zur umstrittenen Absage der Wahl der Verfassungsrichter geäußert. Sie war wegen der von der CDU-Fraktion mehrheitlich abgelehnten Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf im Bundestag von der Tagesordnung genommen worden.

 

Nils Schmid, SPD:

„Die vertagte Richterwahl ist ein einmaliger Vorgang. Der Schaden ist leider groß, auch wenn die Unionsspitze jetzt versucht, das herunterzuspielen. Beschädigt wurde das BVG, weil die Richterwahl nach fachlicher Qualifikation erfolgt“, sagt Nils Schmid. Nun sei der fatale Eindruck entstanden, sie sei Teil der parteipolitischen Auseinandersetzung. Frauke Brosius-Gersdorf sei aber über jeden fachlichen Zweifel erhaben. „Im Ausschuss wurden daher alle drei Vorschläge mit Zweidrittel-Mehrheit gebilligt. Die Abstimmung zwischen den Koalitionspartnern hat also bereits im Vorfeld stattgefunden“, betont Schmid.

„Dass von Seiten der Union eine getroffene Vereinbarung hinterher wieder aufgekündigt wird, erinnert leider an den Ampel-Streit, den wir hinter uns lassen wollten. Dass die SPD nun jemand anderes vorschlagen soll, damit Jens Spahn sein Gesicht wahren kann, halte ich für abenteuerlich. Das würde den Schaden noch vergrößern. Es reicht nicht, dass Spahn seinen Fehler eingesteht, er muss jetzt Rückgrat zeigen und in seiner Fraktion für die getroffene Verabredung werben. Ich will daran erinnern, dass die SPD gerade in den letzten Wochen etliche Kompromisse eingegangen ist, die uns sehr schwergefallen sind. Wenn die Koalition erfolgreich sein soll, muss die Union jetzt sehr schnell dazulernen und ihrerseits zu den vereinbarten Kompromissen stehen.“

 

Matthias Hiller, CDU: 

„Ich halte die Absetzung der Wahl von Frau Brosius-Gersdorf für richtig“, sagt Matthias Hiller. Zum Zeitpunkt, als über die Absetzung entschieden wurde, sei die Tonalität der Debatte um Frau Brosius-Gersdorf so verschärft gewesen, dass die Absetzung folgerichtig war. „Ich bedaure, dass der Bundestag nicht über die beiden unstrittigen Kandidaten abgestimmt hat, die ebenfalls zur Wahl standen.“

Im Vorfeld hätte man sich aber besser verständigen müssen, meint er. „Ganz sicher, hier sind auf beiden Seiten Fehler gemacht worden. Unsere Fraktionsspitze hat verkannt, wie groß die Vorbehalte in Teilen unserer Fraktion waren. Aber auch die SPD hätte wissen können, dass es auf Seiten der CDU/CSU starke Vorbehalte wegen einiger Positionen gibt, und damit meine ich nicht nur das Abtreibungsrecht und die Äußerungen zur Menschenwürde. Auch mit der Infragestellung der Schulpflicht oder der Gegenrede zum Kopftuchverbot habe ich meine Bedenken.“

Es sei übrigens auch kein Novum, dass Kandidaten zurückgezogen werden. Zuletzt sei es die Union gewesen, die im Herbst 2024 ihren Kandidaten zurückgezogen hat (Robert Seegmüller, d.Red.). Über den jetzt gefundenen alternativen Kandidaten (Günter Spinner, d.Red.) hätten wir am Freitag abstimmen lassen wollen, leider wurde auch diese Wahl dann nicht mehr durchgeführt.

Eine „bewusste Demontage“ (SPD-Generalsekretär Matthias Miersch) sieht Matthias Hiller nicht. Innerhalb der CDU sei sehr sachlich über die Personalie Frau Brosius-Gersdorf diskutiert worden. „Anders habe ich die öffentliche Debatte, gerade in den sogenannten sozialen Medien wahrgenommen. Hier wurde stellenweise sehr emotionalisiert. Ich denke zu unserer demokratischen Kultur gehört es, dass wir auch kritische Diskussionen im gegenseitigen Respekt führen können. Auch wenn sich viele der Thesen von Frau Brosius-Gersdorf nicht mit meiner Wertevorstellung decken, hätte ich mir die ein oder andere Zuschrift, die ich in den letzten Tagen erhalten habe, ebenfalls sachlicher gewünscht“, fügt er hinzu. 

Um nun die Kuh vom Eis zu bekommen, schlägt Hiller vor: „In meinen Augen müssen sich zunächst die Fraktionsspitzen zusammensetzen und eine Lösung finden. Eventuell könnte man beiden unstrittigen Kandidaten zeitnah in einer Sondersitzung wählen und die dritte Personalie erst einmal zu weiteren Beratungen nach hinten schieben.“