Fürs abschließende Resümee der Feuerwehrleute aus Munderkingen reichten drei Worte: „Mächtig Glück gehabt.“ Als in der Nacht zum 31. Mai unweit der Lauffenmühle im bei Touristen beliebten Lautertal plötzlich der Wald in Flammen stand, wusste zunächst niemand, was noch kommen würde. Die Brandstelle lag schwer zugänglich zwischen zwei Felsklippen in einem Steilhang. Die Feuerwehren kämpften mit Unterstützung von Drohnen und einer großen Drehleiter auf ungewohntem Terrain. Dass das Feuer eingedämmt und rasch gelöscht werden konnte, lag auch daran, dass es zuvor wochenlang immer wieder heftig geregnet hatte.
Über die Nässe vom Frühjahr redet längst niemand mehr. Trockenheit, konstante Winde und ein gewaltiges Hoch, das offenbar kam, um zu bleiben, haben Wälder, Wiesen und Felder auch im Kreis Esslingen zur leichten Beute von Feuern gemacht. Die Waldbrandgefahr liegt in dieser Woche bei der zweithöchsten Warnstufe vier. Für die Feuerwehren heißt das: aufs Schlimmste vorbereitet sein. So wie im Oktober 2017, als der Ernstfall mit knapp 340 Einsatzkräften aus dem gesamten Landkreis und darüber hinaus im Schönbuch nachgespielt wurde. Das Manöver „Heißer Süden“ war die größte gemeinsame Katastrophenschutzübung der jüngeren Vergangenheit im Land.
Ungeachtet eines klaren Trends mit immer früher auftretenden und immer länger anhaltenden Dürre- und Hitzeperioden sehen sich die Freiwilligen Feuerwehren entlang des Albtraufs gewappnet. Ein Inferno wie vergangenen Juli in Brandenburg, als dort 800 Hektar Wald loderten, halten Brandschützer an der
Alb bislang für ausgeschlossen. „In Brandenburg brennt es anders als bei uns“, sagt Jürgen Holder, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Dettingen. Im Nordosten der Republik bestimmen riesige Kiefernwälder die Landschaft, die bei Trockenheit dem Feuer mehr Nahrung bieten als die Laubmischwälder auf der Alb. Ein lückenloses Wegenetz wie im Naherholungsgebiet am Albtrauf existiert im dünn besiedelten Nordosten ebenfalls nicht. Brandherde sind daher für die Feuerwehren am Boden nur schwer zu erreichen.
Ein realistisches Szenario auch hier im Kreis sind hingegen sogenannte Vegetations- oder Kriechbrände in Bodennähe. Dafür sind Feuerwehren in exponierten Lagen wie in Lenningen mit wasserbetankten Spezialrucksäcken ausgestattet, um kleinere Brandherde gezielt bekämpfen zu können. Reicht das nicht aus, kommen geländegängige Tanklöschfahrzeuge zum Einsatz. Ein solches Spezialfahrzeug mit dicker Stollenbereifung und einem 3000-Liter-Wassertank steht beispielsweise droben auf der Alb in Schopfloch bereit. Unten im Tal hat die Lenninger Feuerwehr drei weitere vergleichbare Fahrzeuge mit einem Gesamtfassungsvermögen von 4400 Litern Löschwasser stationiert.
Auf die teils schwierigen Geländeverhältnisse im Tal und an den Hängen sind alle Fahrzeuge ausgelegt – bis hin zum Schlauchwagen, der es ermöglicht, in kürzester Zeit eine Löschleitung über zwei Kilometer Länge zu legen. „Unsere gesamte Fahrzeugflotte ist mit Allradantrieb ausgestattet“, sagt Kommandant Jochen Mendl. „Es gibt Feuerwehren, die darauf verzichten. Bei uns ist das Pflicht.“ Drohnen mit speziellen Wärmebildkameras, um schwer zugängliche Brandherde genauer lokalisieren zu können, sind inzwischen in fast allen Wehren Standard. Allerdings weiß auch Jochen Mendl: Ohne die entsprechende Ausbildung ist das alles wenig wert. Deshalb wird seine Mannschaft regelmäßig für Vegetationsbrände geschult. Dabei geht es nicht nur um den Umgang mit der Technik, sondern auch um die richtige Strategie. „Letztlich auch darum, mit möglichst wenig Wasser den größtmöglichen Erfolg zu erzielen“, erklärt Lenningens Kommandant. Wenn die Wälder dürsten, ist in der Regel generell das Wasser knapp. Kleine Flüsse wie die Lauter sind im Hochsommer keine verlässliche Quelle für leistungsstarke Saugpumpen. An mehreren Stellen auf der Albhochfläche wie in Krebsstein oder Schopfloch gibt es deshalb Hochbehälter und Wasserentnahmestationen für den Ernstfall.
Läuft ein solcher aus dem Ruder, hilft ohnehin nur noch eines: das Löschen aus der Luft. Die Landespolizei verfügt über zwei Helikopter mit Außenlöschbehältern, die mehr als 900 Liter Wasser fassen. Genügt das nicht, kämen Hubschrauber und Löschflugzeuge der Bundeswehr zum Einsatz.
Bis jetzt gilt: Der Südwesten ist trotz großer Waldflächen kein Risikogebiet. Seit 1992 sind nach Informationen des Landwirtschaftsministeriums in Baden-Württemberg 328 Hektar Wald abgebrannt. Das entspricht 0,023 Prozent der gesamten Waldfläche im Land. 50 Hektar davon waren allerdings allein im jüngsten Erhebungszeitraum zwischen 2017 und 2021 betroffen. „Wenn eine frühe Trockenheit wie jetzt fester Teil im Jahreszyklus wird“, meint Feuerwehrkommandant Jochen Mendl, „dann müssen auch wir uns anpassen.“
Sonnwendfeiern sollen stattfinden
Den Auftakt macht Dettingen an diesem Samstag mit der Sonnwendfeier auf dem Käppele. Zwei Wochen später, am 1. Juli, soll auch auf der Festwiese beim Wasserhochbehälter in Ötlingen ein Sonnwendfeuer die kurze Nacht zum Tag machen. Nach dreijähriger Pause wegen Corona stehen Feuerwehren und Vereine wieder in den Startlöchern, um an alte Traditionen anzuknüpfen. Trotzdem fragen sich viele: Dürre, trockene Winde und Großfeuer – passt das zusammen?
In Dettingen hat man die Sicherheitsvorkehrungen inzwischen verschärft. „Wir sind mit einem zweiten Tanklöschfahrzeug mit jeweils 2000 Liter Wasser draußen“, sagt Dettingens Feuerwehrkommandant Jürgen Holder. „Sollte irgendwas hier in die falsche Richtung laufen, sind wir gewappnet.“ Gleichzeitig soll das Feuer kleiner ausfallen als bisher gewohnt.
In Ötlingen hält auch Kirchheims Stadtbrandmeister Michael Briki die Entscheidung im Moment noch für vertretbar. Auch auf der Festwiese im Egart ist die Feuerwehr mit mehreren Tausend Litern Wasser zur Sicherheit vor Ort. Wie sich die Lage bis 1. Juli entwickelt, kann allerdings auch Kirchheims oberster Löschmeister nicht vorhersagen. Zuständig für die Lagebeurteilung sind zunächst die Ordnungsämter in den Rathäusern. Bestehen Zweifel angesichts der Warnstufen des Deutschen Wetterdienstes oder liegt das Feuer weniger als 100 Meter vom nächsten Waldrand entfernt, landet das Gesuch auf dem Schreibtisch der Forstbehörde im Landratsamt. „Sollte sich die Gefahrenstufe bis zum 1. Juli erhöhen und ein allgemeines Verbot verhängt werden, müssen wir uns natürlich daran halten und die Veranstaltung absagen“, sagt Michael Briki. bk