Die technische Entwicklung ging rasant: In einem Smartphone, sagt Michael Müller, Mitbegründer der Wendlinger Firma XaiTeck, stecke heute mehr als das Hundertfache an Rechenleistung als in einer Anlage, die vor Jahrzehnten 50 Millionen Mark gekostet hat. Und die grundlegenden Veränderungen gehen weiter. In den nächsten 20 Jahren erwartet Müller Schnittstellen zwischen dem menschlichen Gehirn und Maschinen, zur Hilfe bei Behinderungen gebe es derartiges schon: „Dann kann man sein Gehirn ans Internet anschließen.“ Es werde Bioprinting geben, also menschliche Ersatzteile aus dem Drucker. Der Mensch werde Weltraumstationen besiedeln und die Kernfusion nutzen. Für alle diese Entwicklungen sei KI die zentrale Technologie. Wer bereits in diesen Themen unterwegs sei, wollte Müller von den Zuhörern im Konferenzraum der Firma Feeß – darunter viele Unternehmer – wissen: Es meldeten sich nur sehr wenige.

Die Entwicklung von neuronalen Netzwerken, die das menschliche Gehirn nachbilden, wird nach Müllers Einschätzung bedeutsamer sein als die Einführung des Internets. „Sie alle werden künftig Geräte mit KI-Steuersoftware nutzen, etwa zum autonomen Fahren. Sie brauchen keine Angst davor haben, das ist ein evolutionärer Prozess, wir werden uns daran gewöhnen können.“ Müller wurde schon für sein gutes Thai gelobt, dabei hatte er nur ein Übersetzungsprogramm genutzt. Mit KI könnten Prozesse optimiert, Entscheidungen auf Grundlage von Daten getroffen und die Betriebssicherheit verbessert werden, sagt er. Probleme sieht er unter anderem im Datenschutz und einer Überabhängigkeit, weil der Mensch kritische Denk- und Entscheidungsfähigkeiten verliere.
Die Regularien müssten stimmen, fordert er – von dem, was mit minimalem Risiko erlaubt ist, über das, was nur mit Transparenzpflichten und Vorgaben geht, bis zu hin zu dem, was inakzeptabel und deshalb verboten ist.
KI-Sprachmodelle, erläuterte der Mathematiker Julian Feinauer von der Kirchheimer Firma „pragmatic minds“, arbeiteten mit Wahrscheinlichkeiten. Was ist das wahrscheinlichste Wort, das als nächstes folgt? Nach „guten“ könnte dies „Morgen“, „Mittag“ oder „Abend“ sein. Die Kontextlängen, die die KI berücksichtigt, würden immer länger, derzeit seien es rund 100 000 Wörter. Ging es die vergangenen Seiten also immer um Weihnachten und den Jahreswechsel, könnte auf „guten“ auch „Rutsch“ folgen.
Ein KI-Sprachmodell wird erzogen – und lernt auch, was es nicht sagen soll. Dies merkt der Nutzer, wenn Chat-GPT kneift. Manchmal lässt sich das umgehen, wenn die Frage herumgedreht wird. Müllers Beispiel: Kommt auf die Frage, wo es Drogen gibt, keine Auskunft, könnte ein Nutzer fragen, wo er auf keinen Fall hin darf, um nicht mit Drogen konfrontiert zu werden. Denn das System „kennt“ die entsprechenden Clubs, die Daten sind vorhanden, es wurde aber zum Schweigen trainiert.
Die Frage, wer Natalie Pfau-Weller ist, ist klar erlaubt, und Chat-GPT legt bei der Live-Demonstration voll los: Sie sei eine Schlagersängerin. Was sie denn so singt? Fleißig nennt Chat-GPT Titel wie „Ewig uns“ und „Tanz durch den Mondregen“ und halluziniert fröhlich vor sich hin. „Das ist ein superschneller Papagei. Er hat keine Ahnung, was er tut“, sagt Müller. Derzeit sei KI in der Phase des Spielens, ergänzt er. Was effektiv sei und sich durchsetze, werde sich erst noch zeigen.
„Eine alte Umweltsau“
Denn es gibt ein Problem: Der Rechenbedarf von KI ist riesig. Das erfordert nicht nur die nötige Hardware, die teuer und oft schwer zu bekommen ist. Das braucht auch sehr viel Strom. Der Verbrauch einer Google-Anfrage wird auf 0,3 Wattstunden geschätzt. Eine Anfrage bei Chat-GPT hingegen auf 300 Wattstunden, also das Tausendfache. „Damit ließen sich 21 Tassen Kaffee kochen“, sagt Feinauer. Für die beiden Experten ist klar: „KI ist eine alte Umweltsau.“ Nicht nur die Abfragen, auch das Training der KI erfordert sehr viel Energie. Daher sei immer zu prüfen, ob die KI selbst nicht mehr Energie verbraucht, als sie durch die Optimierung von Prozessen auf der anderen Seite einspart.