Viele Wege führen zum Medizinstudium. Florentine Brazel und Ian Lucas Hahn, die aus Nabern und Bad Boll stammen, haben ihre Studienplätze der sogenannten Landarztquote zu verdanken. Jährlich werden in Baden-Württemberg bis zu 75 Studienplätze an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, die sich dazu verpflichten, nach dem Studium und der Facharztweiterbildung für mindestens zehn Jahre in einem unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Gebiet zu arbeiten. 2024 haben sich insgesamt 390 Menschen auf die 75 Studienplätze beworben.
Auf dem Land zu arbeiten, ist für Florentine Brazel kein Opfer. Im Gegenteil: „Ich bin auf dem Land aufgewachsen und hätte mich sowieso dafür entschieden“, sagt die 20-Jährige, die ihr Abitur 2023 auf der Jakob-Friedrich-Schöllkopfschule in Kirchheim gemacht hat. Leider reicht der Notendurchschnitt nicht fürs Medizinstudium. Davon lässt sich die quirlige junge Frau jedoch nicht abbringen. „Ich habe mich über andere Wege zum Medizinstudium informiert“, sagt sie. Im vergangenen Oktober beginnt sie an den Medius-Kliniken eine Ausbildung zur Pflegefachfrau, mit dem Plan, anschließend zu studieren. Im November schreibt sie den Medizinertest (TMS). Sie engagiert sich weiterhin im Sanitätsdienst des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). „Dann habe ich im Teckboten gelesen, dass die Anmeldung für die Landarztquote beginnt“, erinnert sich Florentine Brazel. Bei den Medius-Kliniken hat sie mittlerweile gekündigt und wird ab dem neuen Semester in Freiburg studieren.
Bei Ian Lucas Hahn war es Liebe auf den zweiten Blick, die ihn zur Medizin geführt hat. Der 26-Jährige hat im Jahr 2016 in Göppingen Abitur gemacht und anschließend ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) beim Evangelischen Jugendwerk absolviert. Dann beginnt er, in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik zu studieren. „Das war mega-interessant“, sagt Hahn im Rückblick. Während seines Nebenjobs im Schlaflabor des Marien-Hospitals merkt er jedoch, dass er den persönlichen Kontakt und den Austausch mit Menschen wertvoller findet, „als den ganzen Tag vor dem Computer zu sitzen“. 2020 beginnt er bei den Medius-Kliniken in Nürtingen und Kirchheim eine Ausbildung als Pflegefachmann, ebenfalls mit dem Ziel Medizin zu studieren. Die Ausbildung hat er mittlerweile abgeschlossen – und freut sich nun auf sein Medizinstudium in Tübingen.
Das Studium der angehenden Landärzte wird sich nicht vom dem anderer Medizinstudentinnen und -studenten unterscheiden. Der Unterschied beginnt nach dem Abschluss: Brazel und Hahn können nicht frei entscheiden, welche Facharztausbildung sie beginnen wollen. „Wir können zwischen der Allgemeinmedizin, der Kinder- und Jugendmedizin und der Inneren Medizin ohne Schwerpunkt wählen“, erklärt Ian Lucas Hahn. Ob sie eine Einzelpraxis übernehmen oder in eine Gemeinschaftspraxis gehen, ist ihnen hingegen freigestellt. Der spätere Einsatzort nach der Landarztquote wird vor Festlegung durch das zuständige Regierungspräsidium Stuttgart gemeinsam mit den angehenden Hausärztinnen und Hausärzten besprochen, heißt es auf www.ländarzt.de, der offiziellen Seite der Landarzt-Kampagne. Dabei würden nach Möglichkeit auch Ortswünsche und die persönlichen Lebensverhältnisse berücksichtigt, wie beispielsweise Betreuungspflichten.
In einem ländlichen Gebiet zu arbeiten, schreckt auch Hahn nicht ab. Dass man sich als Landarzt vermutlich keine goldene Nase verdienen wird, ist beiden klar. Facharzt hätte Hahn jedoch auch gar nicht werden wollen. „Mich reizt das Interdisziplinäre, weil es abwechslungsreicher ist“, sagt er. Florentine Brazel glaubt, dass die Beziehungen zu den Patienten auf dem Land persönlicher sind. „Man ist die erste Anlaufstelle, gerade für die Älteren“, sagt sie.
Bewerbungen für den nächsten Durchgang der Landarztquote Baden-Württemberg sind ab dem 1. März 2025 online möglich.