Kirchheim. „Sie dürfen nicht denken, dass wir Bergsteiger keine Angst haben“, räumte Messner in seinem Livevortrag in der Kirchheimer Stadthalle ein. „Mit der Todesangst wächst aber auch das Gefühl, dass wir das können“, sagte der fast 80-Jährige. Vor allem, wenn man immer wieder aus gefährlichen Situationen rauskäme. Bergsteiger seien keine Selbstmörder, gingen aber an Grenzen, die sie bewältigen könnten.
Und solche Grenzerfahrungen hat Reinhold Messner immer wieder erlebt. Er war der erste Mensch, der in den 1970er- und 1980er-Jahren unter anderem alle Achttausender der Erde bezwang – darunter auch den Mount Everest – ohne dabei zusätzlichen Sauerstoff im Rucksack zu haben. In dieser Zeit bestieg er auch die so genannten Sieben Summits, die jeweils höchsten Berge der sieben Kontinente. Später durchquerte er zu Fuß die Antarktis, Grönland und die Wüste Gobi. Messner ist aber nicht nur leidenschaftlicher Alpinist, sondern auch Bergbauer, Bestsellerautor und Gründer von Museen, die sich mit den Themen, Berge, Natur und Kultur der Bergvölker beschäftigen. Darüber hinaus war er fünf Jahre lang Abgeordneter im Europäischen Parlament.
In der Kirchheimer Stadthalle berichtete er von seinen Exkursionen, von eisigen Nächten im Berg, von Steinschlägen, Lawinen und vielen Entbehrungen – aber auch von Mut, Ausdauer und Kameradschaft. Eine große Leidenschaft zur Felskletterei, Kraft, Ausdauer und vor allem Konzentration sind laut Messner die wichtigsten Voraussetzungen, die ein erfolgreicher Bergsteiger mitbringen muss. „Im Berg muss man alles andere vergessen und selbst Teil des Felses werden“, sagte er. Ein einziger Fehler könne tödlich sein.
In seinem Vortrag blickte Messner anhand eindrucksvoller Fotos und Filmsequenzen auf sieben Lebensjahrzehnte zurück, die vor allem von extremen Naturerlebnissen geprägt waren. Schon als Fünfjähriger hatte er zusammen mit seiner Familie in den Südtiroler Dolomiten in den Ferien einen 3000 Meter hohen Berg bestiegen. „Hier habe ich Wurzeln geschlagen und Heimat gefunden“, sagte Messner, der heute noch dort lebt. Danach hat ihn die Leidenschaft für das Bergsteigen sein ganzes Leben lang nicht mehr losgelassen. Noch heute sind für ihn die Dolomiten die schönsten Berge der Welt.
Die Erstbesteigung des Mount Blanc in den französischen Alpen ist für Reinhold Messner der „Beginn des modernen Alpinismus“. Anfangs sei es darum gegangen die Gipfel zu erobern. „Danach, als alle Gipfel bestiegen waren, begann man, die schwierigsten Wege zu suchen. In der dritten Phase sei es darum gegangen, die höchsten Berge ohne zusätzliche Hilfsmittel zu besteigen. „Jede Generation hat versucht, das, was die alte Generation als unmöglich bezeichnete, möglich zu machen“, sagte er.
Messner sprach aber auch von der „schlimmsten Situation seines Lebens“, als sein Bruder Günther im Jahr 1970 am Nanga Parbat, dem mit 8125 Metern Höhe neunthöchsten Berg der Erde, ums Leben gekommen ist. Die beiden hatten sich vorgenommen, als erste die höchste Steilwand der Erde, die Rupalwand, zu durchsteigen. Beim Abstieg über die Diamirflanke kam sein geschwächter Bruder unter eine Lawine und blieb verschollen. Seine Überreste gab der Gletscher erst im Jahr 2005 wieder frei. Die Familie konnte sich endlich von ihrem Sohn und Bruder vor Ort verabschieden und ihn dort bestatten. „Jetzt ist der Nanga Parbat ein großer Grabstein“, sagte Messner. Weil er selbst nur knapp überlebte und mit schwersten Erfrierungen in letzter Minute gerettet wurde, baute Messner im Diamirtal für die Menschen dort eine Schule. Drei weitere sollten später folgen. In Gesprächen mit den Dorfältesten erreichte Messner, dass sogar Mädchen seine Schulen besuchen durften, was in dem muslimischen Land nicht üblich ist. Eine Botschaft, die das Publikum in der Kirchheimer Stadthalle mit Zwischenapplaus bedachte.