Kirchheim
Was tun Wirte, wenn reservierte Tische leer bleiben?

Gastronomie Einen Tisch reservieren und dann nicht oder mit deutlich weniger Personen erscheinen. Das kennen Wirte in Kirchheim und Umgebung. Teilweise sichern sie sich gegen Ausfälle ab. Von Anke Kirsammer

Die Äußerung eines Dehoga-Mitglieds hat zu Beginn des Jahres für ordentlich Wirbel gesorgt. Moniert wurde, dass viele Gäste nicht erscheinen, wenn sie in Lokalen reserviert haben. Das komme seit der Pandemie besonders häufig vor, und das habe sich vor allem bei Weihnachtsfeiern gezeigt. Eine solch extreme Entwicklung stellen Gastronomen in Kirchheim und dem Umland, die der Teckbote  befragt hat, nicht fest. Doch kommt es auch bei ihnen vermehrt vor, dass Tische trotz Reservierungsschildchen leer bleiben oder deutlich weniger Gäste kommen als angekündigt.

 

Wir haben 70 bis 80 Prozent Stammkunden.
Samer Firas
Der Betriebsleiter des Incanto in Kirchheim kann sich nicht vorstellen, für Reservierungen eine Gebühr zu verlangen.
 

Im „Incanto“ in Kirchheim, das den gleichen Betreibern gehört wie das „Fass“ und das „Ris­torante al Campo“ am Golfplatz in Ohmden, kennt man das Phänomen, ein großes Problem ist es aber nicht. „Bei Weihnachtsfeiern gab es das schon, dass 25 Personen angemeldet waren, aber nur 15 kamen“, sagt der Incanto-Betriebsleiter Samer Firas. „Wir sind in der Stadt, da sind die Tische schnell wieder voll.“ Für Reservierungen Gebühren zu verlangen, wie diskutiert, kann man sich in den drei Restaurants nicht vorstellen. „Das geht vielleicht in Großstädten wie Stuttgart oder Berlin, wo alles viel anonymer ist. Wir haben aber 70 bis 80 Prozent Stammkunden.“ Um sich gegen allzu große finanzielle Verluste abzusichern, schließen die Gastronomen bei Geburtstagsfeiern oder anderen größeren Gesellschaften Verträge mit ihren Gästen ab. Fünf Tage vor dem Event wird die Personenzahl endgültig geklärt. Kommen dann zum Speisen weniger, bezahlt der Ausrichter oder die Ausrichterin des Fests trotzdem für die vereinbarte Menge an Essen. „Es macht auch einen Unterschied, wie viele Plätze ein Lokal hat“, betont Samer Firas. „In einem kleinen Res­taurant fallen zehn oder 20 Absagen viel mehr ins Gewicht als in einem großen.“

 

Wir haben viele Varianten ausprobiert.
Sandra Hornung
Die Geschäftsführerin des Sulzburghofs in Unterlenningen tüftelt schon seit Jahren, um Ausfälle durch sogenannte No-shows zu vermeiden.

 

Auf dem Sulzburghof in Unterlenningen jongliert man schon seit Längerem, um das Thema Reservierungen zu optimieren. An den Wochenenden und in den Ferien überrennen Ausflüglerinnen und Ausflügler das Café förmlich. „Wir haben viele Varianten ausprobiert“, sagt die Geschäftsführerin Sandra Hornung. Gruppen ab acht Personen können sich nach wie vor anmelden. Fürs gemütliche Kaffeetrinken in kleiner Runde am Nachmittag zu reservieren, ist jedoch nicht mehr möglich. „Man hält die Tische sonst unglaublich lange frei“, erklärt die Konditormeisterin. Gäste seien mitunter eine halbe oder dreiviertel Stunde später gekommen als angekündigt. In der Zwischenzeit hätten sich längst andere setzen können. Jetzt laufe es besser, meint sie. Auch für die Besucherinnen und Besucher sei es entspannter, wenn sie nicht den Druck hätten, um eine ganz bestimmte Uhrzeit da sein zu müssen. Meist müssten die Gäste nur ein paar Minuten warten, bis ein Tisch frei werde.

Anders sieht es mit dem Frühstück aus: Während Corona hatten Gäste auf dem Sulzburghof oft reserviert, um sicher einen Platz zu bekommen. Reservierungen dafür sind auch nach wie vor möglich. Was der Sulzburghof inzwischen aber nicht mehr anbietet, ist das regelmäßige Frühstücksbuffet in zwei Schichten. Das gab es vor der Pandemie jeden ersten Sonntag im Monat. „Es war oft lange im Voraus ausgebucht, und dann sind die Leute nicht gekommen“, erzählt Sandra Hornung. Sie erinnert sich an einen Fall an Ostern, als 22 Leute zu einem aufwendigen Buffet nicht erschienen. „Das war auch deshalb sehr ärgerlich, weil wir vorher 40 Personen abgesagt hatten.“ Wenn der Sulzburghof ein Frühstücksbuffet anbietet, dann nur noch mit Vorauskasse und im kleineren Rahmen im Hofstüble. Die Anmeldung wird erst bestätigt, wenn das Geld eingegangen ist.

Im Schnitt zehn Prozent weniger Personen 

 „Besonders an Feiertagen freuen sich die Leute, wenn sie in einem Restaurant einen Platz bekommen“, sagt der Wirt einer Traditionsgaststätte im Kirchheimer Umland, die wie eh und je großen Zulauf hat. Dass Leute reservieren und gar nicht auftauchen, sei selten der Fall. Öfter erlebt er, dass jemand eine größere Gruppe anmeldet und dann deutlich weniger Leute erscheinen. Im Schnitt seien es zehn Prozent. Wenn, wie kürzlich, statt zwölf nur sieben Personen kämen, brauche man nicht drei, sondern nur zwei Tische. „Den einen Tisch hätten wir anderweitig vergeben können, wenn wir das vorher gewusst hätten“, bedauert der Gastronom. Wie viel Personal im Service und in der Küche gebraucht werde, hänge natürlich ebenfalls davon ab, was im Gasthaus los sei. Und nicht zuletzt bleibe Essen übrig, wenn die Reservierungen die tatsächliche Zahl der Gäste stark überstiegen.

Zum Telefonhörer greifen und möglichst rechtzeitig Bescheid geben, wenn sich an der Anzahl der Gäste etwas ändert. Das ist es, was sich der Wirt wie seine Kollegen wünscht. Das gelte erst recht für größere Gesellschaften, für die man unter Umständen das ganze Lokal oder einen Saal reserviere. „Es ist ein prinzipielles Problem“, meint der Gastronom. „Die Leute halten sich heutzutage bis zuletzt alles offen.“ Auch für den Organisator oder die Gastgeberin sei das im Übrigen ärgerlich.

 

Nachgefragt


"Jetzt tut es besonders weh" 

Stuttgart. Reservierungen einhalten oder rechtzeitig absagen. Für Daniel Ohl, Pressesprecher des Hotel- und Gaststättenverbands Baden-Württemberg (Dehoga), ist das eine Frage des Respekts.

Wird Ihnen seit Corona rückgemeldet, dass Gäste häufiger als früher in Lokalen reservieren, dann aber nicht kommen?

Daniel Ohl: Sogenannte No-Shows, also das Nicht-Erscheinen von Gästen, waren schon vor Corona ein Thema. Dass es aktuell eine dramatische Zunahme gibt, lässt sich nicht mit Zahlen belegen, aber klar ist: Jetzt ist es besonders ärgerlich und schädlich für Gastronomen.

Weil sie ohnehin unter Druck stehen.

Ohl: Ja, es tut jetzt besonders weh. Der Mitarbeitermangel ist größer geworden, deshalb mussten in etlichen Betrieben die Öffnungszeiten reduziert werden. Wenn ein Lokal kürzer geöffnet ist, müssen die Fixkosten in kürzerer Zeit erwirtschaftet werden. Bleiben die Tische leer, ist der Schaden natürlich noch größer.

Was raten Sie Gastronomen?

Sie können sich vor Ausfällen schützen, indem sie beispielsweise an die Tischreservierung eine Gebühr koppeln, die beim Bezahlen nach dem Essen angerechnet wird. Es ist eine Frage des Respekts, wie man mit denen umgeht, die in der Gastronomie arbeiten und damit ihren Lebensunterhalt verdienen.

Spontan lassen sich freigebliebene Tische nicht besetzen?

Das ist sicher unterschiedlich. Aber es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass man reservieren sollte, wenn man in einer guten Gaststätte einen Platz bekommen möchte.

Gehen die Menschen denn noch essen?

Die Nachfrage in der Vorweihnachtszeit und der Weihnachtszeit war einigermaßen stabil. Teilweise merken die Lokale aber, dass die Menschen sparen müssen. Die Kostenentwicklung ist für die Betriebe eine echte Herausforderung. Schwierig ist, die Preise so zu gestalten, dass sie die Wirtschaftlichkeit sichern, aber auch die Nachfrage noch gesichert ist.

Welchen Trend stellen Sie bei Reservierungen durch Firmen fest?

Dehoga-Mitglieder berichten, dass bei Firmenbuchungen in der Vorweihnachtszeit häufig deutlich weniger Gäste gekommen sind als angemeldet waren. Das lag vielleicht auch an den in dieser Zeit weit verbreiteten Atemwegsinfekten. Wichtig und fair den Gastronomen gegenüber wäre es in solchen Fällen, den Betrieben frühzeitig eine realistische Zahl von Teilnehmern durchzugeben. Anke Kirsammer