Vom Schmücken des Christbaums über das Singen von Weihnachtsliedern bis hin zum gemeinsamen Plätzchenbacken: All die kleinen Rituale, die die Adventszeit so magisch machen, scheinen als junger und gesunder Mensch oft selbstverständlich. Doch was ist mit den Menschen, die nicht mehr eigenständig leben können und auf professionelle Pflege in einem Altersheim angewiesen sind? Wie erleben sie die Advents- und Weihnachtszeit?
Um den Festtagszauber im Leben der mehr als 70 Bewohnerinnen und Bewohner des Kirchheimer Seniorenzentrums St. Hedwig zu erhalten, legen sich die Mitarbeitenden jedes Jahr ordentlich ins Zeug. „Wir kommen aus dem Feiern schon fast nicht mehr heraus“, scherzt Rüdiger Wagner, der seit mittlerweile rund 15 Jahren als Betreuungsassistent in St. Hedwig arbeitet.
Wir leben hier in unserer eigenen kleinen, aber heilen Welt.
Manfred Neumann, Bewohner in St. Hedwig
Schon vor dem ersten Advent wird das ganze Heim von oben bis unten festlich mit Weihnachtsschmuck dekoriert, den die Mitarbeitenden gemeinsam gebastelt haben. Selbst gebastelt ist auch die Krippe, die traditionell in der Kapelle aufgestellt wird. Sie wurde vor zehn Jahren von einer Männergruppe aus dem Heim gebaut. Um das weihnachtliche Flair im Heim gebührend abzurunden, bekommt jede Etage außerdem ihren eigenen Baum, bei dessen Gestaltung sich die Bewohner natürlich beteiligen dürfen.
Mit Musik durch den Advent
Am 6. Dezember versammelt sich die ganze Bewohnerschaft schließlich zur großen Nikolausfeier im Speisesaal. Das Highlight in der Adventszeit sind laut Wagner aber die Adventsfeiern, die in jedem der Wohnbereiche an einem unterschiedlichen Tag stattfinden. Zu diesem Anlass sind auch die Angehörigen der Bewohner herzlich eingeladen, sich den Festlichkeiten anzuschließen. „Da ist die Bude schnell voll“, lacht Rüdiger Wagner. In der Regel gebe es Lesebeiträge, ein gemeinsames Essen, ein kleines Geschenk für jeden und zusätzliche Aktivitäten wie etwa ein Quiz. Dieses Jahr sei in zwei der Wohnbereiche gemeinsam gegrillt worden. „Früher war es Tradition, dass man nach Kirchheim auf den Markt gegangen ist und eine rote Wurst gegessen hat“, erinnert sich Manfred Neumann, der mit seiner Frau seit rund zwei Jahren im Seniorenzentrum lebt. Dort komme das eher nicht so oft auf den Teller. „Insofern war das eine kleine Delikatesse.“
Eine wichtige Rolle spielt in St. Hedwig auch die Musik – und das nicht nur während der Weihnachtszeit. „Musik ist Medizin“, so Rüdiger Wagner. „Es wird bei uns viel gesungen und es gibt zahlreiche entsprechende Angebote.“ Seit nunmehr zwei Jahren ist Manfred Neumann Initiator und Leiter ebensolcher Angebote: Gemeinsam mit einer Gruppe von singfreudigen Mitbewohnern hat der 77-Jährige ein Hedwigschörle etabliert. Erst vergangene Woche habe man ein gemeinsames Adventsliedersingen für Menschen aus dem ganzen Haus auf die Beine gestellt – und die erschienen zahlreich. „Es gibt viele Leute, die gerne singen und mit Begeisterung dabei sind“, berichtet Neumann. „Man muss sie nur ein bisschen abholen.“
Zwischen Sorge und Vorfreude
Am 24. Dezember wird in St. Hedwig zum gemeinsamen Weihnachtsgottesdienst eingeladen. Zum Abendessen gibt es traditionell Kartoffelsalat und Saitenwürstchen. Anschließend kann noch einmal gemeinsam gesungen werden. Da einige Menschen an Heiligabend von ihren Familien abgeholt werden, bleibe am Ende zwar nur eine relativ kleine Gruppe zurück, „aber die, die da sind, freuen sich darauf“, so Neumann.
Auch für die Menschen, die ans Bett gebunden sind, wird Programm geboten. „Diese Leute kriegen Einzelbetreuung. Dann kommen wir aufs Zimmer und singen etwa Weihnachtslieder oder lesen eine Weihnachtsgeschichte vor“, erzählt Rüdiger Wagner. Wenn möglich und gewollt, können bettlägerige Personen auch mobilisiert werden und haben so die Chance, an den Gemeinschaftsangeboten teilzuhaben.
Manfred Neumann erzählt, dass bei manchen Menschen während der Weihnachtszeit aber leider doch eine gewisse Spannung spürbar sei: „Die Dementen kriegen das gar nicht mehr so mit, aber es gibt durchaus Leute, für die noch nicht klar ist, ob sie an Weihnachten Besuch bekommen und von ihrer Familie abgeholt werden oder nicht.“
Zum Glück, so Rüdiger Wagner, überwiege in St. Hedwig aber stets die Freude auf Weihnachten. Man sei jedes Jahr sehr bemüht, eine tolle, festliche Atmosphäre im Haus zu schaffen. „Wir leben hier in unserer eigenen kleinen, aber heilen Welt“, bestätigt Manfred Neumann. Er lobt die Vielfalt der Angebote und den Wohlfühlcharakter im Haus in höchsten Tönen. Das Weihnachtliche stärke den Zusammenhalt noch weiter und schenke Kraft fürs neue Jahr. Um es auf den Punkt zu bringen: „Es ist sehr schwer, sich hier nicht wohl und zuhause zu fühlen.“