Spannungsrisskorrosionsgefahr: Dieses Wortungetüm lässt viele Menschen seit dem plötzlichen Einsturz der Carolabrücke in Dresden im September 2024 aufhorchen. Hauptursache waren laut Gutachter entsprechende Schäden an Stahlelementen, die bereits beim Bau der Brücke entstanden sind. In Kirchheim und Umgebung existieren zwei Brücken, die mit dem gleichen anfälligen Spannstahl gebaut worden sind und deshalb als spannungsrisskorrosionsgefährdet gelten. Was bisher bekannt ist.
Um welche Brücken geht es?
Betroffen sind die Brücke über die Tannenbergstraße in Kirchheim, errichtet 1959, und die Schlierbachbrücke in Schlierbach, gebaut im Jahr 1957.
Warum gelten sie als gefährdet?
Entscheidend ist, welcher Spannstahl verbaut ist. Dazu hat das Regierungspräsidium Stuttgart bereits 2014 umfangreiche Daten erhoben. „Aus dem Baujahr, den Angaben zum Spannverfahren sowie zum verwendeten Stahl der Spannlitzen kann geschlossen werden, ob Spannungsrisskorrosion bei einem Bauwerk prinzipiell möglich ist oder ausgeschlossen werden kann“, so ein Sprecher des Regierungspräsidiums auf Anfrage. Im Fall der Brücken in Kirchheim und Schlierbach kann sie nicht ausgeschlossen werden.
Muss ein Einsturz befürchtet werden?
Darauf gibt das Regierungspräsidium keine eindeutige Antwort. „In der Regel zeigen sich Schäden durch erkennbare Rissbildung am Bauwerk, wodurch man rechtzeitig reagieren kann“, so der Sprecher. „Relevanten Rissschaden“ gebe es aktuell an beiden Brücken nicht. Allerdings hatte sich auch der Einsturz der Carolabrücke in Dresden nicht durch Risse angekündigt. „Bei dem äußerst seltenen Fall, dass durch eine Spannungsrisskorrosion hervorgerufenes Bauwerksversagen ohne vorherige Rissbildung eintritt, müssen in der Regel zusätzliche konzentriert wirkende Schädigungseinflüsse gegeben sein. Nur dann können, nach derzeitigem Kenntnisstand, ganze Spannglieder derart geschädigt werden, dass ein Querschnittsversagen – und damit im schlimmsten Fall ein Bauwerksversagen – unangekündigt stattfinden kann.“
Wie häufig werden die beiden Brücken kontrolliert?
Normalerweise findet bei Brücken alle sechs Jahre eine Hauptprüfung statt. Bei Bauwerken mit Spannungsrisskorrosionsgefahr beträgt das Intervall drei Jahre. Während dieser Bauwerksprüfungen werden die Brücken von besonders geschultem Personal gezielt auf derartige Schäden hin untersucht.
Was passiert, wenn sich Risse bilden?
Sollten Risse gefunden werden, die nicht zuverlässig auf eine andere Ursache zurückgeführt werden können, müsse von einer spannungsrisskorrosionsbedingten Tragfähigkeitsminderung ausgegangen werden, heißt es aus dem Regierungspräsidium. „Bis zur finalen Klärung des Sachverhalts durch vertiefende Untersuchungen wäre mindestens eine Teilsperrung des Bauwerks die Folge.“
Werden die Brücken saniert oder ersetzt?
Welche kurzfristigen Maßnahmen hat das Regierungspräsidium ergriffen?
Bei beiden Bauwerken wurde die Brückenklasse reduziert, und zwar von BK 60/0 auf BK 45/0. Die Reduzierung wirkt sich allerdings ausschließlich auf den genehmigungspflichtigen Schwerverkehr aus. „Das ist ein effektives und kurzfristig umsetzbares Instrument, mit dem die Spitzenbelastung signifikant reduziert und somit das Bauwerk entlastet wird“, sagt der RP-Sprecher. Außerdem sei ein Abstandsgebot für Lkw von 50 Metern erlassen worden, um eine entsprechende Lastverteilung zu erreichen. Entsprechende Schilder sind in beiden Fahrtrichtungen aufgestellt worden.