Kirchheim
„wellcome“: damit kleine Probleme nicht groß werden

Familiengründung Im ersten Jahr mit Baby ändert sich vieles: Freizeit wird zum Luxusgut. Die Ehrenamtlichen von „wellcome“ unterstützen junge Familien beim Start in den neuen Lebensabschnitt. Von Debora Schreiber

Was es wirklich heißt, für einen anderen Menschen 24/7 verantwortlich zu sein, wird vielen trotz neunmonatiger Vorbereitung erst nach der Geburt so richtig klar. Die Umstellung ist groß: Vom Windelnwechseln übers Fläschchengeben bis hin zum In-den-Schlaf-Bringen ist die Liste prall gefüllt. Zeit für sich selbst oder die älteren Geschwis­ter zu finden, ist nicht leicht. „Am Anfang trauen sich die frisch gebackenen Eltern oft nicht, ihr Baby auch nur einen Augenblick alleine zu lassen. Wenn’s gut läuft, können die jungen Eltern einmal am Tag duschen“, erzählt Michaela Göhler-Bald, Leitung und Geschäftsführung der Familien-Bildungsstätte Kirchheim.

Der Wunsch nach ein wenig Unterstützung kann vielfältig sein: „Oft melden sich Eltern

 

„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.
Stefanie Sieger
„wellcome“-Koordinatorin in Kirchheim 

 

mit Zwillingen oder Familien, die bereits ältere Kinder haben, Single-Mütter und -Väter oder Familien, die neu hergezogen sind und daher keine Verwandtschaft oder Freunde in der Nähe haben, die mal eben einspringen können. Die Ehrenamtlichen helfen nicht nur den Eltern: Sie sind wertvoller Kontakt für die Babys. „Nicht umsonst heißt es: Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen. Dieses Dorf wollen wir von ‚wellcome‘ gerne sein“, erzählt „wellcome“-Koordinatorin Stefanie Sieger. Familien können sich ganz unproblematisch per Telefon oder E-Mail melden – alles erfolgt anonym. „Das liegt aber nicht etwa daran, dass es den Eltern peinlich ist, sich eine „Mamizeitschenkerin“ zu organisieren, sondern am Datenschutz“, erklärt Stefanie Sieger. Das Gute an „wellcome“: „Wir setzen an, bevor die Eltern überhaupt in eine Überforderung hineinkommen, damit kleine Probleme erst gar nicht zu großen werden können. Das Image von ‚wellcome‘ und unseren ehrenamtlichen Engeln ist daher sehr gut“, erklärt Michaela Göhler-Bald.

Und so funktioniert’s

Klingelt das Telefon, wird die passende Ehrenamtliche gesucht. „Dabei machen wir keinen Druck: Wenn es nicht passt, passt es nicht, wobei das noch nie passiert ist“, erzählt Michaela Göhler-Bald. 

Die Hilfe durch die Ehrenamtlichen kann völlig unterschiedlich aussehen: ein ausgedehnter Spaziergang mit dem Baby, Hilfe beim Haushalt und vieles mehr. Zwei bis drei Stunden pro Woche sind es aber immer – da ist schon so manche Freundschaft entstanden.          

Besonders beeindruckt hat die beiden Frauen eine 25-jährige Ehrenamtliche, die sich nach der Pandemie einfach gemeldet hat, um Familien zu helfen. „Während Corona konnte der Austausch natürlich nicht wie gewohnt stattfinden – jetzt ist die Nachfrage umso größer“, erzählt Stefanie Sieger.

Möglichkeiten, zu helfen, gibt es viele: Die fünf Euro Stundensatz, der für den Einsatz der Ehrenamtlichen berechnet wird, hat eine Seniorin für ihre Tochter übernommen, weil sie als Berufstätige selbst nur wenig Zeit für ihren Enkel hat.

Da die Hilfe weitestgehend kos­tenlos sein soll, braucht es Spenden. „13 000 Euro benötigen wir jährlich“, erzählt Michaela Göhler-Bald. 6000 Euro hat der Gemeinderat schon als Bezuschussung bewilligt. Der Rest muss über Spenden finanziert werden – das ist über die Plattform „Betterplace“ möglich. Eine Geschichte, die bewegt: 300 Euro gab es auf einen Streich. Die Spenderin hatte vor einigen Jahren selbst Hilfe von „wellcome“ bekommen und möchte das auch anderen ermöglichen.

Am Samstag, 22. Juli, von 9 bis 14 Uhr findet in der Familien-Bildungsstätte Kirchheim das 10-jährige Jubiläum von „wellcome“ in Kirchheim statt.