Sebastian Sturm von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) schlägt Alarm: Immer mehr Hallenbäder werden dichtgemacht und immer weniger Kinder lernen schwimmen. Der Vorsitzende des DLRG-Bezirks Esslingen ist auch selbst betroffen. „Bald schließt das Bad in Dettingen, weil es renoviert wird. Wir sind gerade massiv am Suchen nach einer Alternative“, sagt er. Der Landkreis Esslingen gehöre in Baden-Württemberg zu den Gebieten mit den meisten Bäderschließungen. Auch die Stadt Kirchheim ist keine Ausnahme.
„Es wird immer schlimmer, die Wartelisten in den Schwimmvereinen werden immer länger“, bestätigt Sebastian Sturm und fügt hinzu: „Wir haben hier im Landkreis immer wieder Fälle, dass Schulen bei uns anfragen, weil Kinder nicht schwimmen können, mit zehn oder zwölf Jahren.“ Bei der DLRG sieht man einen direkten Zusammenhang. „Diese Zahlen sind das Ergebnis der Bäderschließungen und der damit verbundenen Ausfällen von Schwimmunterricht an den Schulen“, sagt Verbandspräsident Achim Haag. Gleichzeitig nehme die Tendenz zur Freizeit am Wasser zu, meint Sebastian Sturm. Allerdings stellt er fest, dass zu viele ihre Leistungsfähigkeit falsch einschätzen.
Aus Sicht der DLRG ist damit auch die Zunahme von jungen Badetoten eng verbunden: Bundesweit beklagt der Verband einen Anstieg unter Vor- und Grundschulkindern. Im laufenden Jahr sind bis zum 31. August 26 Kinder gestorben, doppelt so viele wie im Vorjahr. In Baden-Württemberg gab es in dieser Altersgruppe einen Todesfall. Allerdings hat es landesweit altersübergreifend 48 Badetote gegeben. Das sind zehn mehr als im gesamten Jahr 2017.
Die Schulen im Landkreis versuchen ihr Bestes, dagegenzuhalten. Im Bereich der Stadt Kirchheim etwa bieten alle Schulen bis auf die Teck-Grundschule Schwimmunterricht an. „An der Teck-Grundschule ist man sich der Problematik bewusst und arbeitet an einer Lösung“, sagt Kirchheims Pressesprecher Dennis Koep. Im Rathaus hilft man nach Kräften. Nach der Schließung des städtischen Hallenbads im Jahr 2011 hat die Stadt vermehrt für den Transport zum Bad nach Dettingen aufkommen müssen. Im Jahr 2017 waren das laut Koep 50 000 Euro. Ein neues Hallenbad ist laut Koep zwar geplant. Einen konkreten Zeitplan gibt es aber nicht.
Zu den nicht schwimmenden Schulkindern hat sich in der jüngeren Vergangenheit noch eine Gruppe gesellt. „Es gibt auch die Quereinsteigerkinder, die jetzt durch die Flüchtlingswelle kommen“, sagt Sebastian Sturm. Viele von ihnen können nicht schwimmen. Zudem stellt Sturm eine gewisse Sorglosigkeit bei den Eltern fest. „Es passiert immer häufiger, dass die Kinder bei den Bademeistern abgegeben werden, weil die Eltern nicht aufpassen. Die Aufsichtspflicht liegt aber bei ihnen“, sagt er. Er selbst habe schon erlebt, dass Kinder an großen Stauseen schwimmen gehen, im Beisein der Eltern. „Das sollten sie ihren Kindern verbieten.“
Ein weiteres Problem ist die Lehrerweiterbildung. Viele Sportlehrer scheuten vor dem Schwimmunterricht zurück. „Manche können sich gerade selbst über Wasser halten und trauen sich an so ein Thema nicht heran.“ Außerdem ist Schwimmunterricht personalintensiv. „Zwei Lehrer sind eigentlich auch zu wenig für eine Klasse“, sagt er. Auch fehle es vielerorts an Bademeistern. „Deren Bezahlung ist zu unattraktiv. Man könnte aber pensionierte Bademeister reaktivieren“, meint Sturm.
Lösungsansätze müssen her. Bei der DLRG sucht man daher das Gespräch mit den Kommunen. „Es gibt Möglichkeiten, Geld einzusparen, etwa durch Kameras. Es gibt Landkreise, in denen die Videoaufsicht optimiert wird, und damit Personal eingespart wird. Das scheint gut zu funktionieren“, sagt Sturm. Man müsse in den Gemeinden endlich den Investitionsstau abbauen, den viele Gemeinden vor sich herschieben. Dann müsse man sich Konzepte überlegen, etwa eine Eintrittskarte für alle Bäder im Landkreis einführen. Auch gebe es die Möglichkeit, Freibäder im Winter zu überdachen. Dass es ohne politischen Willen nicht geht, weil wirtschaftliche Anreize fehlen, weiß aber auch Sebastian Sturm. „Bäder werden immer ein Zuschussgeschäft bleiben.“