Bei Nicole S. liegen die Nerven blank. Die 43-jährige wohnt mit ihrer sechsjährigen Tochter in einer Mietwohnung in Dettingen, die sie eigentlich längst hätte verlassen sollen. Im Oktober 2022 habe sie eine Eigenbedarfskündigung erhalten, sucht seitdem nach einer Alternative. Das Problem ist: Eine Wohnung, die sie sich leisten könnte und die groß genug für sie und ihre Tochter ist, ist nicht in Sicht. „Wir suchen über Immoscout, haben Zettel ausgehängt, im Mitteilungsblatt eine Anzeige geschaltet, es Freunden und Bekannten erzählt“, sagt Nicole S.. „Meistens habe ich noch nicht einmal eine Reaktion bekommen“, sagt die Mutter, die mittlerweile sehr verzweifelt ist. Zwar ist sie damals vor Gericht gegangen und hat Aufschub bekommen, doch nun steht eine Zwangsvollstreckung im Raum.
Diese Geschichte, so dramatisch sie auch ist, ist rund um die Teck kein Einzelfall. Wer auf Immoscout nach Drei-Zimmer-Wohnungen sucht, findet nur eine Handvoll, bei denen die Kaltmiete unter 1000 Euro liegt. Suchende berichten, dass sich bei günstigen Wohnungen teilweise über 100 Menschen bewerben. Für die Mehrzahl der angebotenen Wohnungen sind über 1000 Euro Kaltmiete fällig. Das kann Nicole S., die als Verkäuferin arbeitet und für die 1000 Euro die absolute Schmerzgrenze sind, bestätigen. „Es gibt gar nicht so viele Wohnungen, die ich mir leisten kann“, sagt sie. Gesucht hat sie schwerpunktmäßig in Kirchheim, Dettingen und Weilheim. Am liebsten würde sie in Dettingen bleiben, die Tochter ist dort im Herbst eingeschult worden. „Ich habe Angst. Wenn man einen Tausender hinblättern muss für eine Mini-Wohnung, dann bleibt ja gar nichts mehr“, sagt sie.
Auch die Gemeinde Dettingen weiß, dass Nicole S. mit ihrem Problem nicht allein dasteht. „Insgesamt ist der Wohnungsmarkt sehr angespannt, da zu wenig Wohnungen gebaut werden“, sagt Dorothee Schuster, Leiterin des Haupt- und Ordnungsamts der Gemeinde. Land und Regionalverband hätten in den vergangenen Jahrzehnten kaum neue Baugebiete zugelassen, weshalb nahezu keine neuen Flächen erschlossen werden konnten. „Für wichtig halten wir eine Erhöhung des Angebots an preisgedämpftem Wohnraum“, sagt Schuster.
Sozialwohnungen gibt es in Dettingen laut Gemeinde keine. Die Zahl der Menschen, die Anspruch auf eine solche Wohnung hätten, ist in der kleinen Gemeinde überschaubar: Aktuell sind vier sogenannte Wohnberechtigungsscheine ausgegeben. Wohnberechtigungsscheine gelten, unabhängig von der ausstellenden Gemeinde, in allen Gemeinden und Städten in Baden-Württemberg, teilt die Gemeinde Dettingen mit.
Die Gemeindeverwaltung sei immer gerne bei der Wohnungssuche behilflich, sagt Dorothee Schuster. „Wir verfügen jedoch nicht über Mietwohnungen“. Die Gemeinde habe Unterkünfte für Obdachlose und asylsuchende Personen. „Eine Einweisung in eine solche Unterkunft ist jedoch nur die letzte Möglichkeit, wenn jemand nach Kündigung und Zwangsräumung obdachlos wird.“
Das will Nicole S. natürlich um jeden Preis verhindern. Allerdings ist sie mit ihrem Latein allmählich am Ende. „Wenn ich Anzeigen geschaltet habe, habe ich immer die Dringlichkeit reingeschrieben. Dass wir eigentlich längst draußen sein müssten. Aber man bekommt trotzdem keine Reaktion“, sagt sie. „Ich weiß nicht, was ich noch machen soll.“
Nachfrage übersteigt Angebot deutlich
380 Sozialmietwohnungen, darunter gebundene Sozialmietwohnungen in Alten-, Pflege- oder Wohnheimen, gibt es in Kirchheim. Dabei handelt es sich sowohl um Wohnungen der Stadt als auch um Mietwohnungen privater Bauunternehmen. Derzeit baut das städtische Wohnungsunternehmen „Städtischer Wohnbau Kirchheim“ ein Mehrfamilienhaus im Lindorfer Weg. Drei weitere Projekte sind in Planung.
Die Zahl der Menschen, die über einen Wohnberechtigungsschein verfügt und damit Anspruch auf eine solche Sozialmietwohnung hat, ist allein in Kirchheim weit größer als das Angebot. Seit 2019 wurden jährlich stets über 100 neue Wohnberechtigungsscheine ausgestellt. 2019 waren es 144, 2020 109, 2021 202, 2022 196 und 2023 145 Wohnberechtigungsscheine. adö