Die Bilder waren verstörend und sind vielen immer noch präsent: Als das Unwetter über Kirchheim und den Nachbargemeinden am 23. Juni hinwegzog, flossen nicht nur Wasser- und Schlammmassen durch die Straßen der historischen Altstadt. Auch wurde die Feuerwehr zu zahlreichen Einsätzen gerufen, bei denen sie Bäume von öffentlichen Wegen beseitigen mussten, die wie Strohhalme umgeknickt waren. Die Feuerwehr war mit 29 Fahrzeugen und 172 Kräften bei der Arbeit, 170 Einzeleinsätze verzeichnet die Statistik der Feuerwehr.
Menschen kamen zur allgemeinen Erleichterung nicht zu schaden, aber die Feuerwehr musste etliche entwurzelte Bäume zersägen, weil sie die Straßen versperrten, wie etwa an der Notzinger Steige. Viele Kirchheimer Grundstücksbesitzer stellten sich deshalb auch die Haftungsfrage: Wer ist eigentlich schuld, wenn der Baum in meinem eigenen Garten umfällt und ein Nachbarhaus oder ein parkendes Auto beschädigt?
„Prinzipiell ist es so, dass Baumeigentümer dazu verpflichtet sind, für die Verkehrssicherheit ihrer Bäume zu sorgen“, sagt Robert Berndt, Sprecher der Stadt Kirchheim. Wolf Rühle, Umwelt- und Naturschutzbeauftragter der Stadt Kirchheim, weist ausdrücklich darauf hin, dass es für Haus- oder Grundstücksbesitzer keine Pflicht gibt, den Baum fachkundig regelmäßig untersuchen zu lassen.
Zur Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann es kommen, wenn Äste oder Bäume abstürzen, weil sie entweder nicht ordnungsgemäß gepflegt wurden oder aber nicht kontrolliert wurde, ob sie gesund und stabil sind. Aber, so betont Robert Berndt: „Wie oft und in welchem Umfang ein Baum nach Krankheiten und Schäden überprüft werden muss, dafür gibt es aber keine verbindliche gesetzliche Vorgabe.“ Auch könne man die Häufigkeit der Kontrollen nicht festlegen, da sie von Alter, Zustand und Standort abhängen. Zwar empfiehlt Robert Berndt, Fachleute zu fragen. Aber eine Verpflichtung gibt es nicht.
Entsprechend schwierig ist die Frage zu klären, ob der oder die Besitzerin das Unglück hätte vermeiden können, wenn bei einem Sturm ein Baum umknickt und ein Haus oder Fahrzeug eines Nachbarn beschädigt. Im Juristendeutsch klingt das so: „Eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Besitzers des Baumes“ und damit eine Haftung, wenn Anzeichen verkannt oder übersehen worden sind, die erfahrungsgemäß auf eine Gefahr durch den Baum hinweisen. Das BGH-Urteil hat Petra Heck vom baden-württembergischen Verband Wohneigentum auf Anfrage mitgeteilt. Doch auch das Urteil bleibt schwammig. So verweisen die Richter darauf, dass eine äußere Prüfung in Form einer „Sichtkontrolle“ regelmäßig zweimal im Jahr erforderlich ist, einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand.
Wer allerdings offensichtliche Schäden wie eine Schiefstellung, einen Blitzeinschlag oder Krankheitssymptome wie abgestorbenes Laub, Totholz, wulstige Wurzelanhebungen oder Pilze am Stamm übersieht, könnte Probleme kriegen. Denn wenn etwas verdächtig erscheint, muss der Baum eingehender durch einen zertifizierten Kontrolleur überprüft werden. Die Oberlandesgerichte in Hamm und Düsseldorf haben da bereits Urteile gefällt: Wenn ein Baum aufgrund seines Alters nicht mehr standsicher ist, muss er gefällt werden. „Zur Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann es kommen, wenn ein Ast oder der ganze Baum abstürzt, weil er entweder nicht ordnungsgemäß gepflegt wurde oder nicht kontrolliert wurde, ob der Baum gesund und stabil ist“, sagt Petra Heck. Sei dem Baumbesitzer kein „vorwerfbares Verhalten“ anzulasten, entsteht auch kein Schadensersatzanspruch gegen ihn.
Handelt es sich um einen gesunden Baum, der umstürzt oder von dem ein Ast abbricht, spricht man von „höherer Gewalt“ durch extreme Witterung, für die der Baumbesitzer nicht verantwortlich gemacht werden kann. Die Juristen sprechen dabei von einem „Ereignis, das er nicht hätte abwenden können“. Entstehen zum Beispiel an einem Fahrzeug durch „höhere Gewalt“ größere Schäden, übernimmt die Versicherung des Autobesitzers oder der Besitzerin, vorausgesetzt er oder sie hat eine Teil- oder Vollkasko-Versicherung abgeschlossen. „In der Regel gilt das ab Windstärke acht“, sagt Petra Heck.
Diese Versicherungen helfen im Schadensfall
Wohngebäude: Die Wohngebäudeversicherung ist für Schäden am Haus zuständig. Geld gibt es aber erst, wenn der Sturm mindestens Windstärke acht erreicht hat. Es reicht, wenn eine Wetterstation solche Sturmstärken in der betreffenden Gegend gemessen hat. Ersetzt werden Kosten für abgedeckte Dächer, abgeknickte Schornsteine oder Schäden am Haus durch umgestürzte Bäume. Nebengebäude wie Gartenhaus oder die Garage auf dem Grundstück sind versichert, wenn sie in der Police vermerkt sind.
Bäume: Umfallen allein ist kein Schaden. Fällt der Baum aufs eigene Grundstück und richtet keinen Schaden an, muss der Besitzer die Entsorgung bezahlen. Weht ein Sturm einen Baum aufs Haus des Nachbarn, kommt es darauf an, ob es Anzeichen für Krankheit gab. Dann muss der Baumbesitzer zahlen – oder seine Privathaftpflichtversicherung, wenn er eine hat. War keine Vorschädigung sichtbar, trifft den Besitzer keine Schuld. Dann ist für
den Schaden am Haus die Gebäudeversicherung des Nachbarn zuständig.
Elementarschaden-Zusatzversicherung: Der Schutz gilt vor allem bei Schäden durch Überschwemmungen, Erdrutsch, Lawinen, Erdbeben oder Starkregen. Das ist auch in Gegenden wichtig, die fernab von einem Fluss oder von Bergen liegen.
Wichtig: Wenn etwas passiert ist, muss der Hausbesitzer sich zuerst kümmern. Ihn trifft die sogenannte Schadenminderungspflicht, er muss also ein vom Sturm eingedrücktes Fenster mit einer Plane abdecken, damit nicht noch mehr Regenwasser eindringt. pm/test.de