Erst war nur eine da. Still und unauffällig schlummerte die Dose im Flur, als Dani von der Schule nach Hause kam. Wenn sie nicht so herb gerochen hätte, wäre sie Dani wahrscheinlich gar nicht aufgefallen.“ Mit diesen Sätzen beginnt das Kinderbuch „Dani und das Dosenmonster“, das am Freitag, 15. März, um 14.30 Uhr im Mittelpunkt einer Veranstaltung in der Stadtbücherei Kirchheim steht. Die Autorin Paula Kuitunen schreibt darin über einen Jungen, dessen Vater Alkoholiker ist.
Veranstaltet wird die Lesung mit anschließender Bastelaktion vom Projekt „Hängebrücke“, einer Kooperation von Kinderschutzbund, der Beauftragten für Suchtprävention des Landkreises und dem Kirchheimer Frauenhaus. Mit der Veranstaltung wollen die Macherinnen das Thema Alkohol aus der Tabuzone holen und auf das Leid aufmerksam machen, das Kinder alkoholkranker Eltern ertragen müssen. Beispielsweise würden diese Jungen und Mädchen oft mehr Verantwortung übernehmen, als ihnen guttut, beispielsweise bei der Versorgung jüngerer Geschwister oder im Haushalt, sagt Christiane Heintze, Beauftragte für Suchtprävention. „Ich muss Papa vor dem Dosenmonster retten“, lautet ein beispielhafter Satz aus dem Kinderbuch. Der Sohn leert Dosen in den Ausguss, bevor er auf Klassenfahrt geht. Nur, um hinterher zu merken, dass seine Bemühungen erfolglos waren.
Kind eines Alkoholikers zu sein, gleicht einer emotionalen Achterbahnfahrt. „Die Eltern werden für die Kinder immer unzuverlässiger“, sagt Ursula Umhey, die Vorsitzende des Kinderschutzbunds Kirchheim. Die Kinder müssten immer in Habachtstellung sein, weil sie nie wissen könnten, wie die Stimmung des alkoholkranken Elternteils sei. „Das ist eine brutale Anstrengung für die Kinder“, sagt Umhey. Weil die Eltern so mit sich selbst beschäftigt seien, rückten die Bedürfnisse des Kindes immer weiter nach hinten. Einen Freund oder eine Freundin mit nach Hause zu bringen, sei vielen gar nicht möglich, aus Sorge, dass Mutter oder Vater betrunken sei oder dass zu Hause völliges Chaos herrsche. Oft leide auch die Fürsorge. „Niemand guckt, dass die Kinder rechtzeitig ins Bett gehen, ihre Hausaufgaben machen oder das Geld für den Ausflug dabeihaben“, sagt Ursula Umhey. Auch Vernachlässigung und Gewalt seien in Haushalten, in denen Eltern alkoholkrank seien, oft ein Thema.
Das Risiko, selbst suchtkrank zu werden, ist bei Kindern alkoholkranker Eltern deutlich erhöht. „Ein Drittel der Kinder entwickelt selbst eine Abhängigkeit“, sagt Christiane Heintze. Auch das Risiko, an Depressionen zu erkranken, ist erhöht. Solche Kinder aufzufangen, ist das Ziel des Projekts „Hängebrücke“. Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien können dort Teil einer Gruppe werden, sich austauschen und gemeinsam etwas unternehmen. Natürlich stehen die Sozialpädagoginnen auch für Gespräche zur Verfügung. Aktuell wird eine neue Gruppe aufgebaut, Interessierte können sich unter der Telefonnummer 0 70 21/7 45 44 informieren.
Allerdings wissen Ursula Umhey und Christiane Heintze aus Erfahrung: Dass suchtkranke Eltern ihre Kinder in dieser Gruppe anmelden, ist die absolute Ausnahme. Denn vielen falle es schwer, sich einzugestehen, dass sie ein Problem haben. „In der Regel kommen die Kinder über die Schulsozialarbeit, die Schule oder die Kinder- und Jugendpsychiatrie“, sagt Heintze.
Ganz wichtig ist es Ursula Umhey und Christiane Heintze, das Thema Sucht zu enttabuisieren. Sie wollen den Kindern zeigen: „Du bist nicht allein. Du musst dich nicht dafür schämen.“ Und, ganz wichtig: „Du kannst da nichts dafür.“
Info Veranstaltet wird die Lesung für Kinder im Grundschulalter mit anschließender Bastelaktion vom Projekt „Hängebrücke“ in Kooperation mit der Stadtbücherei. Um 19.30 Uhr findet der zweite Teil der Veranstaltung, eine Lesung für Erwachsene, statt. Anschließend gibt es die Möglichkeit zum Gespräch mit Betroffenen und Fachkräften. Das Projekt „Hängebrücke“ bietet auch Besuche in Grundschulen an. Infos gibt es beim Kinderschutzbund Kirchheim.