Landwirtschaft
Wenn Wiesenbesitzern Obst im großen Stil geklaut wird

Auf den Streuobstwiesen sind die Mirabellen und die Zwetschgen reif. Für die Wiesenbesitzer eigentlich Grund zur Freude. Doch manche erleben in diesen Tagen eine böse Überraschung.

Ein paar Mirabellen sind noch da: Simone Kerner-Jungfleisch (rechts) und ihre Mutter Ursula Kerner in ihrem Hofladen. Foto: Markus Brändli

Die Diebe müssen mehrmals angerückt sein. Als Simone Kerner-Jungfleisch und ihre Familie an ihren Bäumen in Dettingen Mirabellen ernten wollen, sind bereits mehrere Bäume, die am Feldweg wachsen, in Greifhöhe abgeerntet worden. Ein Baum ist komplett geleert. Als die Nebenerwerbslandwirtin am Dienstag zurückkehrt, um weiterzumachen, ist ein weiterer Baum ohne Mirabellen. Alle weiteren sind in Greifhöhe abgeerntet. „Das sind gute 200 Kilogramm Früchte“, sagt Simone Kerner-Jungfleisch. Die 1-A-Ware hätte sie in ihrem Hofladen in der Kirchheimer Straße verkauft, die B-Ware geht in die eigene Brennerei. „Insgesamt sind das allein 1000 Euro Verlust im Frischmarkt“, sagt sie. 

 

Man muss erst mal die Nerven haben, rauszufahren, den Baum zu schütteln, alles einzusammeln.

Simone Kerner-Jungfleisch, Wiesenbesitzerin, ist fassungslos angesichts der Dreistigkeit der Diebe.

 

Dass irgendjemand die Früchte ihrer Arbeit geklaut hat, macht Simone Kerner-Jungfleisch sauer; die Art, wie es passiert ist, fassungslos. „Man muss erst mal die Nerven haben, rauszufahren, den Baum zu schütteln, alles einzusammeln. Die Mirabellen haben Kirschgröße, das geht nicht so schnell“, sagt sie. Zeugen gibt es bislang keine. Aus Reaktionen auf einen Whatsapp-Statuspost weiß die Dettingerin jedoch, dass sie nicht das einzige Opfer ist. Auch bei Simone Kerner-Jungfleisch ist es nicht das erste Mal. „Ich kenne das von meinen Walnussbäumen, da muss man hinterher sein“, sagt sie. Kirschen und Quitten würden ebenfalls gerne genommen, vor allem, wenn sie in Greifhöhe und nahe eines Weges hängen. „In diesem großen Stil ist es mir aber zum ersten Mal passiert“, sagt sie.

Täter bleiben oft unbekannt

Beim Landratsamt Esslingen ist man über den Obstklau wenig überrascht. „Es gibt immer wieder Fälle, in denen Obst im größeren Stil gestohlen wird“, heißt es auf Anfrage aus dem Amt für Bauen und Naturschutz. Die Verantwortlichen ausfindig zu machen, sei sehr schwer, da die Obstanlagen oder Bäume oft nicht direkt in Ortsnähe seien. „Oft werden die Täter nur bekannt, wenn man sie auf frischer Tat ertappt“, sagt Sprecherin Andrea Wangner. Das Landratsamt empfiehlt in solchen Fällen eine Anzeige gegen unbekannt, „auch zwecks Versicherung oder Wert des Ertragsausfalls“. Auch bestehe dann eventuell die Möglichkeit, einen Zeugenaufruf zu starten.

Anzeige erstattet haben Simone Kerner-Jungfleisch und ihre Mutter bereits. Allerdings machen sie sich keine großen Hoffnungen – vor allem, was den Ertragsausfall angeht. „Wir haben eine Agrar-Police, und es gibt keine Erstattung, da das unter das normale Risiko fällt“, sagt sie. Die Familie überlegt nun, Wildtierkameras aufzuhängen, um Diebe abzuschrecken – eine erhebliche Investition, weil die Bäume auf mehreren Wiesen verteilt sind. Außerdem hat sie die Gemeinde Dettingen informiert und darum gebeten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten während der Erntesaison darauf hinzuweisen, dass das Obst und die Walnüsse auf den Wiesen nicht frei zur Verfügung stehen. 

Für die Familie geht die Ernte weiter. „Ein paar Mirabellen haben wir noch“, sagt Simone Kerner-Jungfleisch und ergänzt: „Wir versuchen jetzt einfach, schneller zu sein als die Diebe.“

 

Mundraub gibt es schon lange nicht mehr

Diebstahl Der Straftatbestand „Mundraub“, der den Diebstahl kleiner Mengen von Nahrungsmitteln bezeichnete, wurde bereits 1975 abgeschafft. Wer sich also an den Kirschen, Walnüssen, Mirabellen oder Äpfeln von Wiesenbesitzern bedient – und sei es nur mit kleinen Mengen –, begeht Diebstahl und kann bestraft werden.

Gelbes Band Wer seinen Baum zur Ernte freigeben möchte, kann ihn mit einem gelben Band schmücken. Die Städte und Gemeinden geben die Bänder aus und notieren gegebenenfalls, wo sich markierte Bäume befinden, heißt es aus dem Landratsamt. Oft seien die markierten Bäume im Eigentum der Gemeinden. „Hauptsächlich werden die Bänder von Bewirtschaftern angebracht, die zu viel Erntegut haben oder nicht mehr selbst ernten können oder wollen“, sagt LRA-Sprecherin Andrea Wangner. Zielgruppe seien vor allem Personen, die kleinere Mengen an Obst benötigen und weniger große Mengen. Die Bäume sind bewusst in keiner Karte vermerkt. adö