Die Landespolitik kommt nach Kirchheim - hätte man meinen können beim gestrigen Termin im katholischen Gemeindehaus St. Ulrich. Letztlich aber hat sich die Kommission des Petitionsausschusses eher als „Re-Import“ herausgestellt: Berichterstatter Karl Zimmermann (CDU) und Andreas Kenner (SPD) sind hiesige Abgeordnete. Dritter im Bunde war Daniel Rottmann aus Ehingen (AfD), der gleich zu Beginn erklärte, dass im Petitionsausschuss das Parteibuch keine Rolle spielt: „Hier ist es vor allem wichtig, alle Seiten zu hören.“ Im Petitionsausschuss gibt es auch keine Befangenheiten. Das betonte Andreas Kenner - der nahe der Klosterwiese wohnt.
Die Klosterwiese und der Bau von zwei Häusern zur Anschlussunterbringung stehen im Mittelpunkt von gleich zwei Petitionen. Die erste Petition stellten Dr. Andreas Majocco und Jürgen Meißner vor: Ihnen geht es um den Erhalt der größten Grünfläche in der Innenstadt, um das historische Ensemble entlang der Lindachallee, um ein Denkmal der mittelalterlich-klösterlichen Versorgungsstruktur sowie um eine wertvolle Fläche für Erholung und Freizeit. Seit 1912 schütze ein Bebauungsplan diese Freifläche, betonte Andreas Majocco: „Die Klosterwiese ist also ein mehr als hundert Jahre altes Erbe für alle Kirchheimer.“
Jürgen Meißner fürchtet vor allem, dass auf die ersten zwei Gebäude zwei weitere folgen könnten, wie es der neue Bebauungsplan ermöglicht. Er fragte, warum die Stadt nicht die abbruchreife Immobilie nebenan - an der Ecke Schlierbacher Straße / Lindachallee - gekauft habe, um dort zu bauen. Dann wäre die Wiese erhalten geblieben: „In Stuttgart kommt man doch auch nicht auf die Idee, den Rosensteinpark zu bebauen.“
Die zweite Petition haben Melanie Kübler-Strobel und ihr Bruder Matthias Kübler eingereicht. Sie befürchten wirtschaftliche Einbußen, weil die Hotelgäste ausbleiben könnten: „Unsere Zimmer und Tagungsräume sind allesamt auf die grüne Wiese ausgerichtet, das schätzen unsere Gäste.“ Künftig ist die Aussicht weniger grün. Außerdem befürchten die Hotelbetreiber, dass von einem „Wohnheim“ für 68 Menschen viel Lärm ausgeht, der ebenfalls Gäste vertreiben könnte: „Unsere Gäste sind nicht auf Kirchheim angewiesen, wir schon.“
Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker berichtete in der öffentlichen Sitzung von dem enormen Druck für die Stadt, in kürzester Zeit Wohnraum für die Anschlussunterbringung bereitzustellen. 2017 seien 196 Personen untergebracht worden. Für 2018 weise das Landratsamt der Stadt weitere 200 Flüchtlinge mit Recht auf Anschlussunterbringung zu.
Unter anderem deshalb wird auf der Klosterwiese weitergebaut. Schon nächste Woche sollen die Wände kommen. Das Stillhalteabkommen bei Petitionen gelte hier nicht, weil die Aufträge an die Handwerker bereits vergeben waren. Weiter sagte die Oberbürgermeisterin: „Wir würden auch lieber andere Projekte gestalten. Aber zur Anschlussunterbringung sind wir verpflichtet.“ Zur Lärmbelästigung verwies sie auf die Gebäude im Hafenkäs, wo ihr keine Klagen der Anwohner bekannt seien. Das Nachbargrundstück wiederum hätte die Stadt nicht kaufen können, weil der Eigentümer nicht verkaufen wollte. Die Stadt habe viele Standorte überprüft. Alternativen zur Klosterwiese habe es aber nicht gegeben. Fast für jede städtische Grünfläche sind ja ähnliche Gebäude in Planung.
Unter großem Beifall brachte Karl Zimmermann den Punkt ins Spiel, dass es viele Bürger untersagt bekamen, Grünflächen zu bebauen. Die Stadt aber könne offensichtlich selbst auf der Klosterwiese und auf dem Jesinger Bolzplatz bauen. Das sorge für ein Gefühl der Ungleichbehandlung. Trotzdem stellte Andreas Kenner abschließend fest: „Die Ministerien haben der Stadt in allen Punkten ein korrektes Vorgehen attestiert.“ Demzufolge dürften die Petitionen wenig Aussicht auf Erfolg haben.