Kirchheim
Wer sich engagiert, macht die Gesellschaft stark

Bürgermedaille Für ihre besonderen ehrenamtlichen Verdienste ehrt die Stadt Kirchheim in einer Feierstunde herausragende Persönlichkeiten und die „Tafel“. Von Andrea Barner

Wenn nach vielen Jahren großen und zeitaufwendigen Engagements eine Ehrung wie die Bürgermedaille ansteht, ist die Überraschung manchmal groß. „Warum ich?“ hat sich Renate Treuherz fast erschrocken gefragt, als sie erfuhr, dass ihr die Medaille verliehen werden soll. Die Antwortet lautet: Weil sie es verdient hat. Die Pädagogin ist im Verein Brückenhaus seit der ersten Stunde Mitglied und hat in über vierzig Jahren ganz wesentlich zu dessen Entwicklung beigetragen, viele Projekte mit ins Rollen gebracht und Generationen von Jugendlichen unterstützt. Außerdem ist sie Sprecherin des Literaturbeirats und dort seit über zwanzig Jahren aktiv. Sie betreut Flüchtlinge, insbesondere Kinder, und sie liest auch in Kirchheimer Kindergärten vor. Dabei, so Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker, „geht sie keiner Schwierigkeit aus dem Weg und spricht stets ihre eigene Meinung aus.“

Solche Menschen braucht eine Kommune. Die Oberbürgermeisterin bringt die Essenz bürgerschaftlichen Engagements auf den Punkt: „Freiwillig, nicht auf einen finanziellen Vorteil gerichtet, das Gemeinwohl fördernd, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen.“ Bei der Feierstunde in der Schlosskapelle unterstreicht sie die Bedeutung von Mitbürgern, die sich für das Wohl des Gemeinwesens einsetzen - für ihre Nachbarn, für die Interessen der Menschen in der Stadt und für Menschen, die Hilfe benötigen. Angelika Matt-Heidecker zitiert Bundesfamilienministerin Franziska Giffey: „Wer sich engagiert, streckt eine Hand aus - und nimmt andere mit. Davon lebt unsere demokratische Gesellschaft, davon wird sie stark.“

Der Dank der Oberbürgermeisterin gilt „all jenen, die zum großen Kreis der ehrenamtlich engagierten Menschen in der Stadt gehören.“ Seit 1992 berät der Gemeinderat alle zwei Jahre, wer mit der Bürgermedaille ausgezeichnet wird. Das Gremium orientiert sich an Vorschlägen, die zum Beispiel von Vereinen eingereicht werden. Dieses Jahr entschied es sich einstimmig auch für Gabi und Karsten Deuringer. Das Ehepaar ist eine tragende Säule im Judosport des VfL Kirchheim. Gabi Deuringer trainiert seit 32 Jahren den Nachwuchs, opfert unzählige Wochenenden für die Wettkämpfe und betreut bis zu 40 Kinder in den Freizeitprogrammen. Karsten Deuringer ist Übungsleiter und kümmert sich um die Pressearbeit. Nach Beendigung ihrer eigenen aktiven Sportkarriere haben die beiden ihr Leben weiterhin dem Judosport im VfL gewidmet.

Ein weiterer Geehrter aus dem Sport ist Horst Helfert. Für Angelika Matt-Heidecker ist er „das Gesicht“ des SV Nabern. Mit erfahrener Hand lenkt er die Finanzgeschicke des Vereins. Seit 25 Jahren sitzt er auch für den SV Nabern im Stadtverband für Leibesübungen. „Pflichtbewusst, geschickt, aber auch verantwortungsbewusst“, vertritt er die Interessen des Sports in Kirchheim. „Hart, aber fair“ hat die Oberbürgermeisterin selbst feststellen müssen, etwa wenn es um die Sportentwicklungsplanung, Kostenbeteiligungen oder Zuschüsse geht. „Leistungen müssen natürlich die Sporttreibenden selbst erbringen“, sagt sie in der Laudatio, „aber diese können nur erbracht werden, wenn der Rahmen stimmt.“

Medaille für eine Institution

Die vierte Bürgermedaille geht in diesem Jahr an eine langjährige Institution: die Kirchheimer Tafel, die von 23 ehrenamtlichen Helfern getragen wird. In Vertretung der Leiterin Aniela Zajac nimmt Peter Schiewe die Medaille entgegen. „Es ist untragbar, dass Millionen Menschen in unserem Land unmittelbar von Armut betroffen sind“, findet Matt-Heidecker, „während fast die Hälfte aller produzierten Lebensmittel in Deutschland auf dem Müll landen.“ Genau da setzt der Tafelladen an. Er verteilt seit 1999 qualitativ einwandfreie Nahrungsmittel an Bedürftige, zum Beispiel Produkte mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum. Etwa 750 Personen mit oder ohne Migrationshintergrund versorgt die Einrichtung in Kirchheim. Die rund 950 Tafeln bundesweit sind eine der größten sozialen Bewegungen.

Die stilvolle Feier in der Schlosskapelle wurde musikalisch umrahmt von Regina und Takashi Otsuka (Violine) und Andrés Ruiz-Sará (Cello). Die drei Musikschullehrer spielten mehrere Sätze aus dem Terzetto Scolastico von Franz Anton Hoffmeister.