Kirchheim
Wer Stoffwindeln nutzt, bekommt einen Zuschuss

Nachhaltigkeit Der Landkreis Esslingen unterstützt den umstieg von Einweg- auf Stoffwindeln mit einmalig 50 Euro. Um diesen zu bekommen, muss man gar nicht viel tun. Von Thomas Krytzner

Jedes Jahr wandern im Kreis Esslingen rund 25 Millionen Einwegwindeln in den Müll. „Eindeutig zu viel“, dachte sich Ruben Moratz, ehemaliger Teckboten-Mitarbeiter und frischgebackener Papa eines wenige Monate alten Sohnes. „Als werdende Eltern kommt man zwangsläufig auch auf das Thema Umweltschutz und die Einsparung von Müll“, erinnert sich Ruben Moratz an die Zeit vor dem Geburtstermin. Seine Schwägerin aus Konstanz brachte ihn auf die Idee, die Initiative zu ergreifen. „Es gibt viele Landkreise und Kommunen in Baden-Württemberg, die den Wechsel auf Stoffwindeln bezuschussen. Deshalb fragte ich im Januar dieses Jahres bei meiner Gemeinde in Ostfildern an, ob es diese Förderung im Kreis Esslingen auch gibt.“ Zu seiner Überraschung antwortete ihm Oberbürgermeister Christof Bolay nach wenigen Tagen direkt: Er unterstütze zwar die Initiative, aber die Abfallbewirtschaftung sei Angelegenheit des Kreises. „In der Folge habe ich die Fraktionsvorsitzenden der vier größten Parteien angeschrieben und bekam von den Politikern viel Zustimmung.“

Darunter auch Bernhard Richter, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Landkreis Esslingen und Bürgermeister von Reichenbach. Er unterstützte die Idee des jungen Vaters von Anfang an: „Da ich selbst bei meinen Kindern schon Stoffwindeln benutzt habe, gefiel mir die Idee und ich ging auf Manfred Kopp, den Geschäftsführer des Abfallwirtschaftsbetriebs im Kreis Esslingen zu.“ Dieser habe ihm zugesagt, den Vorschlag an einer Ausschusssitzung im Kreistag zu unterstützen. Wie der Reichenbacher Bürgermeister auf Anfrage bestätigte, sei der Abfallwirtschaftsbetreib (AWB) derzeit daran, die Bezuschussung zu realisieren. „Das Verfahren ist einfach“, erklärt Bernhard Richter, „Eltern erbringen den Nachweis, dass sie Kinder haben und liefern den Kaufbeleg der Stoffwindeln. Danach gibt es einen einmaligen Zuschuss.“
Wie der Abfallwirtschaftsbetrieb mitteilte, wird ein Kind durchschnittlich etwa 5000 Mal gewickelt. Bei der Verwendung von Einwegwindeln wird damit ein Müllberg erzeugt, der im Mittel bei 1000 Kilogramm pro Kind liegt.

Der Abfallwirtschaftsbetrieb des Landkreises Esslingen fördert daher die Nutzung von Mehrwegwindeln. „Wer ein Mehrweg-Windelsystem erworben hat, kann beim Abfallwirtschaftsbetrieb einen Antrag auf den einmaligen Zuschuss in Höhe von 50 Euro stellen, vorausgesetzt, das Kind wohnt im Landkreis Esslingen und ist nicht älter als zwei Jahre“, sagte die Pressesprecherin des Landkreises. Den Antrag gibt es in einem Info-Faltblatt, das von der Internetseite des Abfallwirtschaftsbetriebs unter www.awb-es.de heruntergeladen oder telefonisch angefordert werden kann. Der ausgefüllte Antrag wird zusammen mit einer Kopie der Geburtsurkunde und dem Kassenbeleg über den Erwerb des Mehrweg-Windelsystems an den Abfallwirtschaftsbetrieb geschickt.
Abgesehen vom Umweltschutzgedanken und dem bevorstehenden finanziellen Zuschuss gibt es weitere Überlegungen, die vermutlich die Geister scheiden lassen: Im Gegensatz zur Einwegwindel besteht die Stoffwindel hauptsächlich aus Baumwolle. Die wasserundurchlässige Außenhülle wird durch eine Baumwoll- und eine Vlieseinlage ergänzt. Die Stoffwindel kann bei 60 Grad gewaschen werden und ist mehrfach verwendbar. „Das bedeutet viel mehr Arbeit als mit der Einwegwindel, die man komplett im Müll entsorgt“, berichtet Ruben Moritz. In der Anschaffung sind Stoffwindeln deutlich teurer. „Pro Windel zahlt man im günstigsten Fall zwischen 12 und 20 Euro. Da lohnen sich Preisvergleiche.“ Ein großer Batzen Geld, wenn man berücksichtigt, dass man mindestens zehn Stoffwindeln vorrätig haben sollte. „Dafür ist aber der Mülleimer nicht schon nach zwei Tagen voll“, versichert Ruben Moratz, „und es gibt sie in vielen Farben mit vielfältigen Motiven.

Ganz auf Stoffwindeln umgestellt, haben die frischgebackenen Eltern aber nicht: „Weil man die Stoffwindeln alle drei Stunden wechseln soll, verwenden wir für die Nacht jeweils eine Einwegwindel. Sonst wecken wir den Kleinen unnötig und wir sind auch froh um jede Stunde Schlaf“, schmunzelt Ruben Moratz. Das Wechseln der Stoffwindeln unterscheidet sich nicht von den Einwegwindeln. „Es gibt Clips oder Klettverschlüsse und zum Teil können die Stoffwindeln mit dem Baby mitwachsen.“ Er ist überzeugt: „Baumwolle ist die bessere Variante für die Kinder.“ Überwindung braucht es beim Windeln wechseln, wenn man auf die Stoffvariante umsteigt, wie Ruben Moratz bestätigt: „Man muss die Stoffwindel auswaschen, bevor sie in die Waschmaschine kommt und das bedeutet, Nase zu und durch.“ Mit einem Augenzwinkern betont er: „Ich dachte immer, das kann ich nie, aber als Elternteil stumpft man da wohl ab.“ Papa Ruben Moratz hat dazu einen Tipp: „Wenn man Babys fürs große Geschäft direkt übers Töpfchen hält, wird es mit der Geruchsentwicklung nicht ganz so schlimm.“ Sprachs, legt seinen gerade aufgewachten Sohn behutsam auf den Wickeltisch und wechselt ihm – ganz ohne Naserümpfen – gekonnt die Stoffwindel.