Mobbing hat viele Gesichter: Das kann von täglichen Beleidigungen über das Verbreiten von Lügen und Cybermobbing bis zu Bedrohungen und Schlägen reichen. Während Jungs meist handgreiflich werden, mobben Mädchen eher durch Schweigen oder indem sie jemanden aus der Gruppe ausschließen. Der Selbstmord eines elfjährigen Mädchens in Berlin Anfang des Monats hat die Debatte darüber neu entfacht, was getan werden kann, um Mobbing zu unterbinden, beziehungsweise Mobbingopfer zu stärken. Letzteres haben sich Jonas und Simon Reinöhl auf die Fahnen geschrieben.
Die beiden Brüder bieten in der Kirchheimer Turmstraße mit ihrem Unternehmen „Personen Sicherheitskonzepte Reinöhl“ (PSKR) nicht nur Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse an. Nachdem Eltern, deren Kinder sich in Konflikten nicht wehren konnten, gehänselt oder gemobbt wurden, auf die beiden zukamen, macht PSKR seit einigen Jahren auch Mobbingprävention, und es wird mit -opfern trainiert.
Das jüngste Kind, dessen Eltern bei ihnen um Rat fragten, war vier Jahre alt. „In dem Alter kann man schon ganz gut mit Kindern arbeiten“, so Jonas Reinöhl. Es ist wohl gar nicht so selten, dass auch kleine Kinder Gleichaltrige permanent triezen. „Einmal hatten wir beispielsweise den Fall, dass ein Kindergartenkind von anderen gezwungen wurde, einen Regenwurm zu essen.“ Viele Mobbingopfer kämen aus sehr behüteten Elternhäusern. „Sie erfahren zu Hause nicht, dass es Konflikte gibt, sind oft sensibel und sehr intelligent.“ Probleme träten bei solchen Kindern nicht selten beim Übergang vom Kindergarten in die Grundschule oder von der Grundschule in die weiterführende Schule auf. In der neuen Gruppe beziehungsweise in der neuen Klasse haben sie es schwer, sich zu behaupten.
„Es ist wichtig, eigene Grenzen zu setzen“, sagt Simon Reinöhl. Viele Mobbingopfer würden sich selbst die Schuld zuschieben. Wichtig sei es, den Teufelskreis zu durchbrechen. „Wir vermitteln den Kindern, dass sie wertvoll sind“, sagt Jonas Reinöhl. Ein Tennisball dient symbolisch als „Diamant“, den die Gruppe beschützen soll. Zur Arbeit mit den Mobbingopfern gehört außerdem die Analyse des Konflikts. In den Kursen lernen die Teilnehmer unter anderem in Rollenspielen, Grenzen zu setzen, „Nein“ zu sagen und gute von schlechten Gefühlen zu unterscheiden.
Und dass sie das Recht haben sich zu wehren, ohne andere zu verletzen. Wer Zivilcourage hat, hat eine große Chance, nicht zum Opfer oder zum Täter zu werden, so die dahintersteckende Idee. Opfern rät Jonas Reinöhl, ein Mobbingtagebuch zu schreiben, in dem auch Lappalien vermerkt werden, Screenshots zu machen, wenn Beleidigungen über WhatsApp geschickt werden, und bei Körperverletzungen zur Polizei zu gehen. Die Brüder verstehen sich als Netzwerker und bieten deshalb auch an, mit Lehrern von betroffenen Schülern zu reden. Gibt es keine Lösung des Problems, überlegen sie mit der Familie, ob es sinnvoll ist, die Klasse oder die Schule zu wechseln.
Mobbing findet quer durch alle Schularten statt, haben Jonas und Simon Reinöhl festgestellt, doch werden Mobber oft nicht bestraft. Würden Konflikte nicht gelöst, könnten die Täter weitermachen. Damit tue man ihnen aber keinen Gefallen. „Laut Studien haben Mobber, deren Verhalten nicht sanktioniert wird, ein größeres Risiko straffällig zu werden“, so Jonas Reinöhl.
In Kindergärten und Schulen bräuchte es Gewaltpräventionsprojekte, in die Schulsozialarbeiter und Streitschlichter eingebunden sind. Simon und Jonas Reinöhl haben mit Pädagogen, Erziehern und Psychologen ein Konzept entwickelt, mit dem sie an Schulen und Kindergärten gehen. Damit versuchen sie spielerisch, Kinder zu stärken, ihnen Kompetenzen an die Hand zu geben und ihnen zu zeigen, wie sich Konflikte lösen lassen. Gestärkt wird auch das Sozialverhalten von Außenstehenden und Mitläufern.