Kirchheim. Die mediale Aufmerksamkeit ist manchen Klimaaktivisten gewiss: Größen der abendländischen Kunst wie Monet, Vermeer oder van Gogh nennt man nun in einem Atemzug mit der Aktionsgruppe „Letzte Generation“. Die öffentliche Diskussion ist polarisiert – kulturvergessener Aktivismus oder genialer Schachzug zeitgemäßer Protestbewegung.
Gunter Krönes hat mit dem Schaffen von Kunst ebenso Erfahrung wie mit deren Erhalt. Er hat Malerei und Bildhauerei an der Stuttgarter Kunstakademie studiert und betreibt seit vielen Jahren in Kirchheim eine Werkstatt für Rahmenvergoldung und Restaurierung. Aus seiner Sicht haben die Aktivisten eine passende Plattform gewählt: „Unsere Klimaproblematik hat mit unserer Kultur genauso zu tun wie die Kunst in den Museen.“ Schließlich sei jeder Einzelne am Klimawandel beteiligt. Wahrscheinlich werde durch die Aktionen kein direkter Druck auf die Politik ausgeübt, wohl aber die Öffentlichkeit sensibilisiert: „Solange die Menschen kein schlechtes Gewissen bekommen, wird sich an klimaschädlichen Alltagsroutinen nichts ändern“, ist sich Krönes sicher. Die Aktivisten leisteten somit einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Bewusstseinsbildung.
Wer die jüngst attackierten Bilder früher kontemplativ betrachtet habe, werde nun im ästhetischen Kunstgenuss irritiert: „Die Leute erkennen, dass das Bild noch eine andere Verbindung zur Welt hat, als an der Wand zu hängen, um genossen zu werden“, meint Krönes. Die Gefahr, denen die Gemälde – allesamt hinter Glas – dabei ausgesetzt werden, hält er indes für gering: „Für Bilder gibt es weit schlimmere Feinde als Tomatensuppe oder Kartoffelbrei.“ Messer zum Beispiel, die Leinwände aufschlitzen. Doch selbst davor müsse man keine Angst haben, versichert der Fachmann. Längst verfügten Restauratoren über ein profundes Wissen, Kunstwerke wiederherzustellen und haltbarer zu machen.
Aus seinem fachspezifischen Blickwinkel macht Krönes auf eine Parallele zwischen Klimakrise und dem musealen Betrieb aufmerksam. Um Kulturgüter vor dem schädlichen Einfluss klimatischer Faktoren zu schützen, schaffen Konservatoren eigene Milieus, sogenannte Klimakästen, die das Überdauern der sensiblen Artefakte sicherstellen. „Schon kleine Schwankungen der Temperatur oder Luftfeuchtigkeit können hier verheerend sein“, sagt Krönes. Seiner Meinung nach könnten das ausgeprägte konservatorische Bewusstsein für klimatische Überlebensbedingungen und das Wissen um deren Fragilität durchaus Vorbildcharakter für eine verantwortungsvolle Klimapolitik haben.