Kirchheim
Wie Kirchheim versucht hauszuhalten

Etat Die Finanzen der Teckstadt für die kommenden beiden Jahre stehen – nach heftigem Ringen zwischen Rat und Verwaltung. Jetzt kommt es darauf an, wie das Regierungspräsidium das Zahlenwerk beurteilt. Von Andreas Volz

Es gibt Dinge, die kann man sich nicht ausdenken: Der Kirchheimer Gemeinderat stimmt einer Erhöhung des Hebesatzes für die Gewerbesteuer zu – und die Freien Wähler werben vor der Abstimmung eindeutig für diese Erhöhung, um dann auch noch kurz vor Verabschiedung des Doppelhaushalts der SPD vorzuwerfen, dass sie geschlossen gegen die höhere Gewerbesteuer gestimmt hat.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht: Bettina Schmauder, die Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Gemeinderat, sprach vom „Ergebnis langer, schwieriger und intensiver Beratungen“, an deren Ende ihre Fraktion dem Kompromiss zustimmen konnte, den Hebesatz statt um 20 nur um zehn Prozentpunkte zu erhöhen. Außerdem mahnte sie an, die Stadt solle nicht zu sehr an der Hebesatz-Stellschraube drehen, sondern lieber dafür sorgen, dass sich das Gewerbesteueraufkommen dadurch erhöht, indem sie den Unternehmen beste Bedingungen für die Ansiedlung bietet.
 

Wichtige Gewerbesteuer

Im Vorfeld der Abstimmung zu diesem Punkt hatte Oberbürgermeister Pascal Bader den Gemeinderat eindringlich gebeten, dieser Erhöhung zuzustimmen: „Sonst wäre die Genehmigungsfähigkeit unseres Haushalts gefährdet.“ Das wollte die CDU-Fraktionsvorsitzende Natalie Pfau-Weller, die beantragt hatte, auf die Erhöhung zu verzichten, nicht auf sich sitzen lassen: „Sollte der Haushalt nicht genehmigt werden, dann gibt es sehr viele einzelne Punkte, die dazu führen würden. Das liegt dann nicht einzig und allein am Hebesatz für die Gewerbesteuer."

Dieses Problem ist zumindest nach der Einzelabstimmung vom Tisch: 14 Gemeinderatsmitglieder sprachen sich gegen die Erhöhung aus, 20 waren dafür. Worüber dagegen gar nicht mehr abgestimmt werden müsste, war die Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes: Hier lautete die Beschlussempfehlung aus den Ausschüssen, den Hebesatz zu belassen, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, noch kurz vor der generellen Umstellung der Grundsteuer das Niveau anzuheben, das dann aufkommensneutral übernommen werden soll. Einem solchen Vorwurf wollte sich keine Liste wirklich ausgesetzt wissen, ein halbes Jahr vor der nächsten Kommunalwahl.

Auch beim Thema „Attraktivierung der Innenstadt“ setzte sich der Gemeinderat klar über die Interessen der Stadtverwaltung hinweg: Für 2024 stehen insgesamt 30 000 Euro bereit, um in der Dettinger Straße Bäume zu pflanzen und Bänke aufzustellen. Diese Summe entspricht den Mehreinnahmen, die aus der Erhöhung der Parkgebühren auf Straßen und Plätzen stammen. Wäre es nach der Verwaltungsempfehlung gegangen, hätten auch in den Folgejahren jeweils 30 000 Euro bereitgestellt werden sollen, um die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu verbessern. Hans-Peter Birkenmaier (Freie Wähler) nannte „die fünf Bs – Bäume, Blumen, Beläge, Beleuchtung, Bänke“ und forderte, dafür ab 2025 jeweils 80 000 Euro jährlich vorzusehen. Sein Antrag fand eine deutliche Mehrheit.
 

Die Faust kommt auf den Tisch

Den Schluss der Debatte zur Haushaltsverabschiedung nutzte vor allem der SPD-Fraktionsvorsitzende Marc Eisenmann, um seinem Ärger Luft zu machen: Der Haushalt sei „viel zu negativ dargestellt“, weil die Ergebnisse erfahrungsgemäß besser ausfallen als prognostiziert. Andererseits fehlte ihm „ein weiterer Arbeitsschritt“, um noch mehr und noch intensiver über den Haushalt diskutieren zu können.

Thilo Rose sagte zur Position der CDU-Fraktion: „Wir können diesem Haushalt nur mit der Faust in der Tasche zustimmen. Aber wir werden mit dieser Faust öfters auf den Tisch schlagen, wenn es nicht endlich gelingt, Aufgaben und damit Ausgaben zu reduzieren sowie Standards zu hinterfragen und sich auch einmal mit einfachen Standards zu begnügen.“

Auch der Grünen-Fraktionsvorsitzende Manfred Machoczek will gegebenenfalls mit der Faust auf den Tisch klopfen. Er beklagte ebenfalls die fehlende Zeit, um sich intensiv mit dem Haushalt auseinandersetzen zu können, zeigte sich insgesamt aber moderater: „Dieser Haushalt ist das Ergebnis von Kompromissen, die wir in den Vorberatungen getroffen haben, und trotz schwieriger Situation investieren wir große Summen in Bildung und Betreuung.“

Für Heinrich Brinker, den aus der Linkspartei ausgetretenen Linken-Stadtrat, ist das Problem des Kirchheimer Haushalts ein allgemeines Problem: „Die Lage der Kommunen verschlechtert sich zusehends, weil es zu wenig Förderung durch Bund und Land gibt.“ Gerd Mogler (CIK) sieht die hohe Verschuldung im Finanzplan als nicht ganz so problematisch an: „Wir müssen zunächst einmal viele Dinge in den Haushalt aufnehmen.“ Das heiße nicht, dass automatisch auch alle Mittel abgerufen werden.

Ralf Gerber von den Freien Wählern waren etliche Aussagen seiner Ratskollegen zu hart, weswegen er rhetorisch fragte, wer denn bitteschön bei der Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes nicht zugestimmt habe. „Wir sollten nicht so tun, als hätten wir selbst gar nichts in den vollen Sack gepackt. Wir alle wollten das Kornhaus im Haushalt haben – weil es uns wichtig ist. Aber es kostet eben Geld.“ Statt pauschaler Kritik wünscht er sich lieber konstruktive Vorschläge: „Man kann hier nicht einfach auf der Verwaltung rumhacken.“

Auch Oberbürgermeister Bader wies die Kritik an der fehlenden Zeit vor der Haushaltsverabschiedung zurück: „Wir haben ein Dreivierteljahr lang an diesem Haushalt gearbeitet. Und in diversen Klausurtagungen war der Gemeinderat involviert, schon lange vor der Einbringung.“ Einschränkend fügte er hinzu: „Wir alle würden uns mehr wünschen. Aber die Zahlen lassen nicht mehr zu.“

 

Was passiert, wenn der Haushalt nicht genehmigt werden sollte?

Ohne Genehmigung des Haushalts durch das Regierungspräsidium wäre die Stadt Kirchheim in ihrer finanziellen Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt. Das verdeutlichte Stadtkämmerin Sylvia Zagst zu Beginn der Beratungen über die Verabschiedung des Doppelhaushalts 2024/25. Die Stadt würde zu Nachbesserungen aufgefordert werden. Eine Genehmigung wäre dann erst für Anfang Mai zu erwarten. Bis dahin wäre nur eine Interimswirtschaft möglich. Das bedeutet, dass begonnene Maßnahmen fortgesetzt, aber keine neuen begonnen werden können. Ausgaben, zu denen die Stadt rechtlich verpflichtet ist, können ebenso noch getätigt werden wie die Ausgaben für unaufschiebbare Maßnahmen.

Die schwierige Lage umriss Oberbürgermeister Pascal Bader. Der Doppelhaushalt werde zusätzlich belastet durch die Aufnahme von 11,8 Millionen für die Kornhaussanierung sowie durch die Kreisumlage, die höher ausfallen werde als bei der Haushaltseinbringung vorgesehen. Erfreulicherweise seien zwar die Schlüsselzuweisungen nach oben gegangen. dafür sei aber der Anteil an der Einkommensteuer gesunken. Um den Haushalt genehmigt zu bekommen, müsse die Stadt dringend ihre Einnahmenseite verbessern. Gerade deshalb sei es so wichtig, den Hebesatz für die Gewerbesteuer zu erhöhen – zumindest von 380 auf 390 Prozent. Sein Fazit: „Wir hoffen, dass wir einen Haushalt beschließen, der genehmigt wird.“  vol