Kirchheim. Bei der dreistündigen Demokratiekonferenz in der Stadthalle solle es nicht um Parteipolitik gehen, sondern um die Zukunft in Kirchheim, sagte die Bürgermeisterin Christine Kullen bei der Begrüßung. Wie die knapp 100 Teilnehmer die Gegenwart sehen, zeigte eine Umfrage per Smartphone und Tablet: Den Zustand der Demokratie weltweit sahen viele eher negativ, in Deutschland schon besser und in Kirchheim nochmals deutlich besser. Rund 30 Prozent der Kirchheimer hätten einen ausländischen Pass oder eine doppelte Staatsangehörigkeit, sagte Marc Eisenmann vom Integrationsrat. „Der Integrationsrat ist gegen jede Form von Extremismus.“
Nach seinem Impuls verteilten sich die Teilnehmer auf fünf Thementische zu fünf Fragen: Was schätzen wir an unserer Demokratie? Was gefährdet sie? Warum wenden sich Menschen von ihr ab? Woran können wir in Kirchheim anknüpfen? Wie stärken wir den sozialen Zusammenhalt? An jedem Tisch trug ein Moderatorenduo die Beiträge auf einem großen Papierbogen zusammen, mit der Zeit wurde der Platz knapp. Einmal zwischendrin konnten die Teilnehmer Tisch und Thema wechseln – oder bei ihrer bisherigen Frage bleiben.
Warum wenden sich Menschen von der Demokratie ab? Das kann daran liegen, so eine Stimme, dass Menschen nicht gehört werden und resignieren: „Es ändert sich sowieso nichts.“ Es kann an unglaubwürdigen Politikern liegen oder daran, dass ein Mensch eben „aus Prinzip dagegen“ ist. An mehreren Tischen kam die soziale Ungleichheit zur Sprache, die „zu geringe Entlohnung von harter Arbeit“.
Das politisch erfreulich breite Spektrum der Teilnehmer sorgte für gleichfalls breite Antworten. So kam zur Kritik am falschen Umgang mit den „sozialen Medien“ auch die Kritik an offensichtlichen Fehlleistungen der ARD-Tagesschau. Nur angeblich wirksame, viel zu einfache Lösungen für komplexe Probleme, so die Teilnehmer, bekämen einer Demokratie genauso wenig wie eine ständige Verengung des Meinungskorridors.
Was sich Teilnehmer in der Stadt wünschen, sind neue Begegnungsmöglichkeiten – kostenlos und ohne Konsumzwang. Was es in Kirchheim schon alles gibt, das füllte ebenfalls einen großen Bogen – verbunden mit der Bitte, die Teilorte nicht zu vergessen.
Die Demokratiekonferenz knüpfte an die Demonstration vom Januar mit 2.000 Menschen auf dem Kirchheimer Marktplatz an. Spontan trugen sich Teilnehmer in eine Liste ein, um beim neuen „Bündnis für Demokratie und Mitmenschlichkeit“ mitzumachen. Weitere Interessenten können das ab 6. Mai auf der Website der Stadt Kirchheim tun. Dort werden auch die Konferenzergebnisse vorgestellt.
Was das Bündnis anpacken soll, wurde ebenfalls in Tischrunden gesammelt, es soll bestehende Netzwerke nutzen. Neu war der Vorschlag, Bürgern vor öffentlichen Gemeinderatssitzungen eine Einführung in die Themen anzubieten. Wenn Menschen ungerecht behandelt werden, haben andere vielleicht schlichtweg keine Ahnung von deren Problemen. Deshalb soll das neue Bündnis auch Ungerechtigkeit und Diskriminierung sichtbar machen. Peter Dietrich