Wie ist die Situation vor Ort?
Verglichen mit Nürtingen und dem Umland haben Hausärztinnen und -ärzte in Kirchheim und dem Umland weniger Probleme, Nachfolger für ihre Praxen zu finden. Auf der Internetseite der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) sind in Kirchheim aktuell zwei Praxen ausgeschrieben, für die neue Inhaber gesucht werden. In Nürtingen sind es momentan sieben. „Nürtingen ist definitiv unterversorgt“, sagt Dr. Wolf-Peter Miehe, Hausarzt in Weilheim und Sprecher der Ärzteschaft im Altkreis Nürtingen. Im Stadtgebiet sehe es schon nicht gut aus. „Aber wenn es Richtung Neckartenzlingen und Neckartailfingen rausgeht, wird es noch schlechter“.
Wie sind die Gemeinden um Kirchheim versorgt?
In Dettingen gibt es aktuell zwei Hausarztpraxen, in Lenningen ebenfalls, in Weilheim vier. Notzingen, Owen, Bissingen, Holzmaden, Jesingen und Nabern haben jeweils eine Praxis. Lediglich Ohmden verfügt über keine eigene Praxis.
Wie entwickelt sich die Hausärztliche Versorgung?
Auch im sogenannten Mittelbereich Kirchheim wird sich die Situation verschlechtern, wenn nicht gegengesteuert wird. „Ein Drittel der Hausärzte im Landkreis Esslingen hört in den nächsten zehn Jahren auf, ein Viertel ist schon heute über 60 Jahre alt“, sagt Dr. Wolf-Peter Miehe, Hausarzt in Weilheim und Vorsitzender der Ärzteschaft im Altkreis Nürtingen. Die Zahlen, die diese Lücke schließen würden, seien im Nachwuchs bisher nicht zu erkennen. Und der Beruf genießt kein gutes Image. „Die Honorarsituation ist immer wieder unsicher, die Arbeitsbelastung hoch, Assistenzpersonal zu finden, ist schwierig“, nennt Miehe drei Gründe.
Wenn die Situation in Kirchheim und Umgebung aktuell noch gut ist, warum haben immer mehr Menschen dennoch keinen Hausarzt?
Laut Wolf-Peter Miehe viele der existierenden Hausarztpraxen nicht mehr in der Lage, neue Patienten aufzunehmen, weil sie an ihrer Kapazitäts- und Belastungsgrenze arbeiten. Ein Grund ist, dass der Betreuungsaufwand pro Patient aufgrund des medizinischen Fortschritts und der zunehmenden Alterung gestiegen sei – und, dass die Praxen immer mehr Ältere zu versorgen hätten. „Die Berechnungszahlen werden nicht adäquat an diese Faktoren angepasst. Dies führt zur rechnerischen Vollversorgung und gefühlten und tatsächlich erlebten Unterversorgung“, sagt Miehe. Außerdem weisen die niedergelassenen Ärzte seit Jahren darauf hin, dass sie durch die Budgetierung nicht für ihre tatsächlich erbrachte Leistung bezahlt werden. Bei der Aufnahme neuer Patienten behandele man diese häufig umsonst. Dass immer mehr mehr Menschen keinen Hausarzt haben, spüren die Kliniken, weil die Zahl der Patienten, die die Notaufnahmen mit banalen Beschwerden aufsuchen, steigt.
Wie will man mehr junge Mediziner dazu bewegen, sich als Hausärzte niederzulassen?
Eine Antwort lautet: Weiterbildungsverbund. Ab dem vierten Quartal sollen Mediziner im Landkreis Esslingen, die am Beginn ihrer Facharztausbildung stehen, dieses Angebot erhalten, das ihnen Lust darauf machen soll, Allgemeinärztin oder Allgemeinarzt zu werden. Auch ein Quereinstieg ist möglich. Nachdem die Absolventen eine gewisse Zeit in unterschiedlichen Abteilungen einer Klinik absolviert haben, erhalten sie im Anschluss sicher eine Weiterbildungsstelle in einer berechtigten Hausarztpraxis. In Kooperation mit den Unikliniken haben die angehenden Allgemeinmediziner Anrecht auf ein ausbildungsbegleitendes theoretisches Kurrikulum an, das sie absolvieren können, um optimal auf die Facharztausbildung vorbereitet zu sein.
Wer ist beim Weiterbildungsverbund mit im Boot?
Es gibt einen Kümmerer, der beim Gesundheitsamt des Landkreises angesiedelt ist. Außerdem sind weiterbildungsberechtigte Praxen sowie alle Kliniken im Landkreis mit im Boot. Zwar kämpfen auch die Kliniken um Nachwuchs, doch eine funktionierende hausärztliche Versorgung muss in ihrem Interesse sein, unter anderem, um die Notaufnahmen wieder zu entlasten.

