Die geplante Sanierung des Kirchheimer Wachthauses zurück in seinen ursprünglichen klassizistischen Zustand aus dem Baujahr 1829 schlägt derzeit hohe Wellen in der Bevölkerung. Die Diskussionen verklingen bei den Entscheidungsträgern nicht ungehört. Die Stadtverwaltung und Architekt Peter Cheret erläutern das in der Bürgerschaft umstrittene Vorhaben und dessen Hintergründe erneut. Am 5. Juni, vor dem Gemeinderatsbeschluss, habe es bereits eine öffentliche Infoveranstaltung gegeben, erinnert Oberbürgermeister Pascal Bader: „Ich finde es extrem schade, dass nur sehr wenige das Angebot wahrgenommen haben.“
Mir ist es wichtig, dass man sich erst informiert, bevor man kritisiert.
Oberbürgermeister Pascal Bader
Eine weitere Infoveranstaltung zur Historie des Wachthauses und zum Sanierungsvorhaben findet am Donnerstag, 25. Juli, um 18 Uhr in der Stadthalle statt. Dort ist dann auch ein Austausch mit den Fachleuten möglich.
„Aktuell wird bei Entscheidungen des Gemeinderats oft schnell einfach ‚draufgehauen‘, ohne sich selbst vorab informiert zu haben“, so Bader. Die Entscheidung zum Wachthaus sei weder vom Gemeinderat noch der Verwaltung vorschnell getroffen worden. „Es gab über mehrere Jahre eine intensive, fachlich begleitete Auseinandersetzung mit der Thematik. Das gilt genauso für andere Projekte wie etwa den Verwaltungsneubau“, betont Bader. Für weitere Großprojekte wie den Bau eines Hallenbads falle noch dieses Jahr der Grundsatzbeschluss. „Mir ist es wichtig, dass man sich erst informiert, bevor man kritisiert“, sagt der OB. Seine erste Reaktion auf das Vorhaben, das Wachthaus zu verputzen, sei genauso kritisch gewesen wie die vieler Bürger. Schließlich kenne man das Haus seit fast sieben Jahrzehnten nur mit Fachwerk. Seine Auffassung habe sich dann allerdings mit dem entsprechenden Hintergrundwissen geändert. Die Entscheidung des Gemeinderats sei nun nach intensiver Beschäftigung mit dem Thema demokratisch gefallen, auch wenn sie knapp gewesen sei. Eine erneute Abstimmung werde es nicht geben, so Bader.
Architekt Peter Cheret betont zur Süd-Ansicht des verputzten Wachthauses (Foto), dass es sich derzeit noch um eine vorläufige Skizze handle, nicht um das endgültige Erscheinungsbild nach der Sanierung: „Da müssen noch einige Details besprochen werden wie die Farbe des Putzes, die Fensterrahmen und -bänke oder auch ob es Fensterläden geben soll und wenn ja, in welcher Farbe“, erklärt Cheret. Zunächst gehe es jetzt um die Sanierung, dann um die Details der Gestaltung. Die Architektur einer Stadt sei immer ein Spiegel der Zeit, der jeweiligen Epochen, so der Architekt. So sei das Max-Eyth-Haus in Kirchheim etwa ein mittelalterliches Gebäude. Bei dessen „Sichtfachwerk“ wurden hochwertigeres Holz für die Balken verwendet, dazu ist das Fachwerk aufwändiger gestaltet. Weitere Beispiele seien etwa die Adler-Apotheke oder das Rathaus, ergänzt Kirchheims Erster Bürgermeister Günter Riemer.
Oft nur oberflächliche Sanierung
Beim Wachthaus handle es sich dagegen um ein sogenanntes „sichtbares Fachwerk“, was eine einfachere, schmucklosere Variante ist. So wurde für die Balken ein weniger beständiges Nadelholz verwendet, anstatt wie bei „Sichtfachwerken“ zum Beispiel ein stabiles, wetterfestes Eichenholz. 128 Jahre lang war das 1829 erbaute Wachthaus im laut Peter Cheret damals üblichen „aufgeräumten, klassizistischen“ Stil verputzt. Seit 67 Jahren kennt man es nach der Freilegung des Fachwerks im Jahr 1957 als Fachwerkgebäude. Warum das Fachwerk damals freigelegt wurde, sei nur eine Vermutung: „Nach dem Krieg gab es eine gewisse Sehnsucht nach einer heilen Welt, das spiegelt sich auch optisch in der Architektur wider. Weg von der Strenge des Klassizismus, zurück zu ‚heimelig‘ wirkenden Gestaltungsaspekten wie einem Fachwerk.“ Bei Sanierungen solcher freigelegter Fachwerke sei vielerorts mangels Fachwissen über längere Zeit nur sehr oberflächlich gearbeitet worden, weiß Peter Cheret: „Was man von außen gesehen hat, wurde repariert, in der Tiefe allerdings nicht.“
„Wir haben eine baukulturelle Verpflichtung für den Erhalt und die Gestaltung unserer Stadt“, sagt Günter Riemer. Viele Gebäude der Innenstadt, so auch das Wachthaus, stehen unter Denkmalschutz. „Es geht jetzt nicht darum, dass Kirchheim darauf verzichtet, Fachwerkstadt zu sein. Vielmehr reden wir über ein einziges Gebäude, das 1829 erbaut wurde und dessen baukulturelles Erbe der Klassizismus ist. Es war klar, dass es eine schwierige Diskussion gibt, und sowohl Gemeinderat als auch Verwaltung haben sich intensiv und differenziert mit der Thematik auseinandergesetzt.“ So sei es allein schon eine Auflage des Landesamts für Denkmalpflege, das Gebäude in seinem Originalzustand – also verputzt – zu erhalten. Das spiele gegebenenfalls auch bei den Fördermitteln eine Rolle, so Riemer. Auch für die Stadt gelten genauso wie für Privateigentümer entsprechende Sanierungsauflagen, gerade auch bei den unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden.
Fertigstellung bis April 2026
Das Sanierungsprojekt habe einen „sportlichen Zeitplan“, den es einzuhalten gelte, erklärt Barbara Brunner, die seitens der Stadtverwaltung die Planung der Hochbauarbeiten für das Wachthaus leitet. „Seit November werden schrittweise Flächen freigelegt. Ab Oktober starten die sichtbaren Arbeiten, die Planung läuft, die Arbeiten werden zeitnah vergeben. Bis 1. April 2026 müssen wir die Sanierung abschließen.“
Er wünsche sich, dass der fachlichen Expertise wieder mehr vertraut und geglaubt werde, so Peter Cheret: „Das geht oft verloren. Das Wachthaus ist ein Kulturdenkmal. Wir haben eine Verpflichtung.“
Zahlen und Fakten zur Wachthaus-Sanierung
Die vom Gemeinderat beschlossene Generalsanierung des Kirchheimer Wachthauses inklusive einer verputzten Fassade kostet rund 4,4 Millionen Euro. Hätte man sich für die Alternative entschieden, das deutlich beschädigte Fachwerk zu sanieren und in Teilen zu erneuern, kämen laut Architekt Peter Cheret nochmals rund 15 Prozent an Kosten, das entspräche 660.000 Euro, dazu.
Würde das sichtbare Fachwerk des Wachthauses erhalten, müssten zusätzlich alle zwei Jahre 20.000 Euro an Wartungskosten sowie alle fünf bis zehn Jahre Instandhaltungskosten in Höhe von rund 140.000 Euro einkalkuliert werden.
Das 1829 erbaute Gebäude war über 128 Jahre verputzt (klassizistischer Baustil), seit 67 Jahren ist das Fachwerk freigelegt. Man muss hier zwischen einem „sichtbaren Fachwerk“ (Wachthaus) und einem zum Beispiel vom Holz her hochwertigeren sowie aufwändiger gestalteten „Sichtfachwerk“ (z. B. Rathaus) unterscheiden. eis