Kirchheim. Wer am Montag, 2. Oktober, spontan zu seinem Hausarzt gehen muss, wird möglicherweise vor verschlossenen Türen stehen. Denn bundesweit gehen Hausärzte, Facharztpraxen und Psychotherapeuten in den Streik und lassen ihre Praxen geschlossen. Auch der Kirchheimer Kardiologe Dr. Norbert Smetak, der seit 1993 in der Teckstadt praktiziert, gehört zu den Streikenden. Er erklärt die strittigen Punkte.
Budgetierung
Seit die Leistungen für jeden Patienten in Punkten gewertet werden und es von den Krankenkassen festgesetzte Punkte-Budgets gibt, lohnt es sich für niedergelassene Ärzte ab einer bestimmten Zahl von Patientinnen und Patienten nicht mehr, weitere Fälle anzunehmen, weil sie die nicht mehr vollständig abrechnen können. „Bei uns konnten wir deshalb im letzten Quartal 15 Prozent der Leistungen nicht vergüten“, sagt Smetak, der als Kardiologe in Kirchheim niedergelassen ist. Er habe das nur zur Gewährleistung der Grundversorgung gemacht. Diese Regelung stamme aus einer anderen Zeit, als es mehr als genug niedergelassene Ärzte gab, sagt Smetak. Jetzt fordern die Ärzte die Abschaffung dieser Budgetgrenze.
Wirtschaftlichkeitsprüfung
Ein weiterer Kritikpunkt der Ärzte ist, dass die Krankenkassen zunehmend verschriebene Medikamente auf ihre Wirtschaftlichkeit prüfen, sprich: ob es auch billiger geht. „Da geht es oftmals um Bagatellbeträge von 50 Euro“, sagt Norbert Smetak. Die Einzelfallprüfungen kosten aber den betroffenen Arzt viel Zeit. „Das hält Kollegen von der Versorgung ab“, so der Kirchheimer Kardiologe. Die Forderung der Ärztinnen und Ärzte lautet daher: Einführung einer Bagatellgrenze. Nebeneffekt: Die Kassen betreiben dafür ebenfalls einen großen Aufwand und beschäftigen dafür Fachkräfte wie MTAs, die in den Praxen händeringend gesucht werden. Was Smetak besonders stört: „Da ist eine Misstrauenskultur entstanden, die für beide Seiten sehr aufwändig ist.“
Patientensteuerung
Eine sinnvolle Verteilung der Patientinnen und Patienten halten Smetak und seine Kollegen für unvermeidbar, will man das Gesundheitssystem nachhaltig entlasten. „Es werden viel zu viele Leistungen stationär erbracht“, sagt er. Dabei gebe es in Deutschland ein großes Potenzial für mehr ambulante Behandlungen. Andere Länder, etwa in Skandinavien, seien da viel weiter. Der Vorteil, den Smetak und seine Berufskolleginnen- und -kollegen darin sehen: geringere Kosten für die Kassen und verbesserte Möglichkeiten für Arztpraxen, Fachärzte zu bekommen, und eine bessere Kooperation mit den Krankenhäusern.
Fehlende Digitalisierung
Schließlich fordern die Ärztinnen und Ärzte auch eine Umsetzung der angekündigten Digitalisierung, wie etwa das E-Rezept und die digitale Patientenakte. „Und zwar so, dass sie uns entlastet und nicht zusätzlich behindert.“ Thomas Zapp
Info Dr. Norbert Smetak ist Landesvorsitzender von MEDI Baden-Württemberg, einem Zusammenschluss von rund 5000 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten aller Fachrichtungen sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten.