Kirchheim
„Wir möchten nichts vorschreiben“

Ernährung Rein vegetarische Kost in den Kitas und Schulen? In Kirchheim sieht man derzeit keine Veranlassung, komplett auf Fleisch zu verzichten. Die Kinder und Eltern sollen selbst entscheiden. Von Heike Siegemund

In Freiburgs städtischen Schulen und Kitas gibt es vom kommenden Schuljahr an nur noch vegetarisches Essen. Das beschloss der Gemeinderat mehrheitlich – und erntete dafür teils heftige Kritik, unter anderem von Elternbeiräten. Wie sieht die Lage in Kirchheims Schulmensen und Kitas aus? Wäre das Freiburger Modell auch für die Teckstadt geeignet?

„Bei uns können die Kinder jeden Tag frei wählen, ob sie Fleisch essen wollen oder nicht. Es gibt immer eine vegetarische Variante“, sagt Claudia Gerlach-Reck, Vorsitzende des Vereins „Lugeria – Eltern kochen für Schüler“. Dieser ist, unterstützt von der hauptamtlichen Hauswirtschafterin Petra Latzel, für den Betrieb der Mensa am Ludwig-Uhland-Gymnasium verantwortlich; möglich wird dies durch Kochteams aus ehrenamtlich tätigen Eltern, Großeltern, Lehrkräften und weiteren Engagierten, die jeweils einmal im Monat täglich zwischen 250 und 350 Essen zubereiten.

Sowohl Claudia Gerlach-Reck als auch Petra Latzel sehen derzeit keine Veranlassung, am Konzept der Lugeria etwas zu ändern. „Wenn wir umstellen würden, würde sicherlich bestimmt ein Drittel der Schüler zu McDonalds oder zum Döner-Imbiss gehen“, gibt Petra Latzel zu bedenken. Und genau das wolle man verhindern: „Wir wollen die Kinder an der Schule halten.“ Es gehe hier auch um die besondere Atmosphäre in der Lugeria, ergänzt Claudia Gerlach-Reck. Diese trage zu einem anderem Schulleben und einer guten Schulgemeinschaft bei. „Für die Kinder ist es auch toll, wenn ihre Eltern sich einbringen.“

Im Übrigen sollen die Kinder und ihr Elternhaus selbst entscheiden, ob sie sich vegetarisch ernähren oder nicht, betonen die beiden Frauen unisono. „Die Verantwortung liegt bei den Eltern. Wir möchten nichts vorschreiben und unsere Offenheit behalten“, betont Claudia Gerlach-Reck. In der Lugeria gebe es täglich auch Salate und Suppe, die stets vegetarisch sei. „Außerdem haben wir in der Regel zwei komplett vegetarische Tage pro Woche“, fügt Petra Latzel hinzu. Auch beim Fleisch setze man nicht auf „billige Zukaufware – wir kaufen bei regionalen Metzgern ein“, verdeutlicht Claudia Gerlach-Reck. Sie weiß: „Das Thema Ernährung ist vielen Eltern wichtig. Wir leisten dazu einen guten Beitrag im Schulalltag. Unser frisch zubereitetes Essen wissen viele zu schätzen.“

Generell nehmen die Schülerinnen und Schülern die vegetarischen Gerichte gut an: „Wir haben täglich 60, 70 vegetarische Essen“, informiert Petra Latzel. Vor allem die älteren entscheiden sich für die fleischlose Variante – „und auch eher die Mädels“. Es komme aber auch immer auf das Gericht an, ergänzt Claudia Gerlach-Reck: „Vegetarische Lasagne zum Beispiel kommt genauso gut an wie die nichtvegetarische“.

Selbst gekocht wird auch in der Kita im Doschler, wie Leiterin Mareike Wandel betont. „Eine vegetarische Alternative bieten wir nicht an, aber wir achten darauf, dass so wenig wie möglich Fleisch dabei ist.“ Sprich: In der Regel gebe es nur einmal pro Woche Fleisch, einmal pro Woche Fisch und ansons­ten vegetarische Gerichte. Sollten Eltern den Wunsch äußern, dass ihr Kind in der Kita ausschließlich vegetarisch isst, stelle man sich darauf ein: „Dann kochen wir extra für sie.“ Dies gelte freilich auch für muslimische Kinder, wobei Mareike Wandel betont: „Auch aus gesundheitlichen Gründen verwenden wir grundsätzlich kein Schweinefleisch, sondern Rind und Pute“.

Persönlich findet Mareike Wandel die Entscheidung der Freiburger Gemeinderäte gut. „Aber wahrscheinlich sehen das viele Eltern nicht so.“ Für ihre Kita könnte sie es sich durchaus vorstellen, auf Fleisch komplett zu verzichten, „aber es ist kein Thema momentan“, fügt sie hinzu. „Unser Konzept ist gut. Deshalb belassen wir es so.“ Außerdem gibt sie zu bedenken: Damit keine Mangelerscheinungen bei den Kindern durch rein vegetarische Ernährung entstehen, müsste man sich zunächst intensiv mit dem Thema beschäftigen.

Das bestätigt Claudia Gerlach-Reck: „Man müsste darauf achten, dass der Körper von allem genug bekommt. Damit muss man sich auseinandersetzen, und diese Verantwortung sollte keine Schulmensa übernehmen.“

 

Kitas, Küchen und die Kosten

Die Entscheidung in Freiburg fiel auch aus Kostengründen: Mit der Verringerung des Angebots will man Kosten einsparen. Was sagen die Verantwortlichen im Kirchheimer Rathaus zu diesem Aspekt? Eine Umstellung auf rein vegetarische Kost an den städtischen Schulen und Kitas „kommt für uns im Moment nicht infrage, trotz niedrigerer Kosten“, betont Bürgermeisterin Christine Kullen. „Ausgewogenheit, Regionalität und Nachhaltigkeit spielen für uns eine große Rolle.“ Darauf lege auch der Gemeinderat Wert. Sie persönlich hält ein Wahlrecht in den Schulen und Kitas für die bessere Alternative. „Für mich gehört zur Ausgewogenheit dazu, dass ab und zu auch Fleisch auf dem Speiseplan steht.“

Aktuell könnten die Kinder an den meisten Standorten in Kirchheim frei wählen, ob sie Fleisch essen wollen oder nicht. „Bei den wenigen Einrichtungen ohne Wahlrecht gibt es kein Schweinefleisch, wobei man ja auch nur die Beilagen essen kann.“ Die Schulen und Kitas, in denen nicht selbst gekocht wird, werden vom Caterer „Apetito“ beliefert; dieser liefert die Speisen tiefgekühlt an.

Die Stadt Kirchheim will nun umstellen und denkt über die Einführung eines „Komponentenmodells“ nach, zu dem inzwischen in Ötlingen eine Testphase läuft, informiert die Bürgermeisterin. Dabei sollen die einzelnen (bereits fertig zubereiteten) Bestandteile eines Gerichts von unterschiedlichen Anbietern geliefert werden, zum Beispiel Kartoffeln und gebratenes Fleisch von einem Landwirt aus der Region und Spätzle von einem Teigwarenhersteller. „So haben wir es in der Hand und können den Speiseplan selbst aufstellen“, betont Christine Kullen. Wichtig sei dabei immer, ausgewogen, regional und saisonal sowie bedarfsgerecht zu kochen. Auf rein vegetarisch wolle man nicht umstellen, aber trotzdem nicht jeden Tag Fleisch anbieten. „Wir planen fleischlose Tage in der Woche ein und bieten an den anderen Tagen eine vegetarische Alternative an.“ hei