Freitagnachmittag um 13.30 Uhr steht Gunther Zizelmann in Kirchheims erster Fahrradstraße und ist hörbar auf 180. „Schauen Sie mal, wer da alles durchfährt“, ruft er und zeigt auf ein Auto mit Ulmer Kennzeichen, dem eines mit österreichischem Nummernschild folgt. Auch ein Lkw schlängelt sich durch den engen Bulkesweg. „Der dürfte da eigentlich gar nicht fahren“, regt der Anwohner sich auf. Weil die Straße so schmal ist und die abgesenkten Bordsteine es zulassen, weichen viele Autos auf die Gehwege aus, blockieren Zufahrten. Auf der Geraden zwischen der Hausnummer 33 und der Hausnummer 109 wird gefühlt fast durchgängig schneller als 30 gefahren. Fahrradfahrer, die hier eigentlich die Taktgeber sein sollten, sieht man kaum. „Die fahren mittlerweile oft auf dem Gehweg, weil es dort sicherer ist“, sagt Zizelmanns Ehefrau Sabine.
Momentan ist es gefährlicher als früher.
Gunther Zizelmann, Anwohner
Natürlich ist ein Ortstermin nur eine Momentaufnahme. Aber die drei Geschwindigkeitsmessungen, die seit der Eröffnung der Fahrradstraße stattgefunden haben, und bei denen laut der Stadt nur wenige Verstöße festgestellt wurden, sind es eben auch. Gunther Zizelmann, der mit seiner Frau Sabine im Bulkesweg wohnt, sagt, dass es während der Pendelzeiten noch deutlich mehr Autos sind.

Im April 2024 ist der Bulkesweg nach zwei Jahren Bauzeit wiedereröffnet worden – als Kirchheims erste Fahrradstraße. Um die Route unattraktiv für den Durchgangsverkehr zu machen, wurde die Fahrbahn deutlich verschmälert, die Gehwege verbreitert. Fahrräder sind die Taktgeber, dürfen nicht überholt werden – theoretisch zumindest. „Anfangs hatte die Fahrradstraße einen abschreckenden Effekt auf Autos. Aber seit den Sommerferien ist der Verkehr richtiggehend explodiert“, sagt Gunther Zizelmann. Warum, weiß er auch nicht. Was passiert, wenn das Verkehrsaufkommen aufgrund der Erschließung des Gewerbegebiets Bohnau-Süd weiter steigt, wolle er sich lieber nicht ausmalen, sagt er.
Stadt hat nachgebessert
Dem Engagement der Anwohner und einiger Nachbarn ist es zu verdanken, dass es im Bulkesweg für nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer nicht noch gefährlicher ist. Auf Initiative der Nachbarn hin hat die Stadt Kirchheim im Frühjahr entlang der Fußwege Klemmfixe installiert, die dafür sorgen, dass Autofahrer nicht nach Lust und Laune auf die Bordsteine ausweichen können. Doch die Hofeinfahrten, die viele Autofahrer illegalerweise als Ausweichbuchten nutzen, kann man eben nicht mit Klemmfixen zupflastern. Und der Hinweis auf Tempo 30, der an den Einfahrten groß auf der Straße angebracht wurde, hält auch nicht automatisch vom Rasen ab.

Gunther Zizelmann hat die Stadtverwaltung deshalb aufgefordert, den Bulkesweg von einer unechten Fahrradstraße, in der Durchgangsverkehr erlaubt ist, in eine echte Fahrradstraße umzuwandeln. „In einer echten Fahrradstraße ist nur Anlieger- und Busverkehr erlaubt“, sagt er. Und natürlich Fahrradverkehr.
‚Anlieger frei‘ soll kommen
Bei der Stadt Kirchheim ist er mit seiner Forderung auf offene Ohren gestoßen. Die finale Abstimmung steht zwar noch aus, doch der Leiter des Ordnungsamts, Marcus Deger, sagt: „Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir die Straße in ‘Anlieger frei’ ändern und entsprechend beschildern“. Die Umsetzung soll innerhalb der nächsten Wochen erfolgen. Einen Gemeinderatsbeschluss braucht es laut Deger nicht. Eine Umwidmung in eine „echte Fahrradstraße“ hält er verkehrsrechtlich nicht für notwendig. „Die Beschilderung ist ausreichend“, sagt er.
Wenn die Stadt diesen Schritt geht, ist Durchgangsverkehr im Bulkesweg künftig gar nicht mehr erlaubt. Ob sich die Autofahrer daran halten, steht natürlich auf einem anderen Blatt. „Als Stadt sind wir nur für die Kontrollen des ruhenden Verkehrs zuständig, aber man müsste dann sicher immer wieder Schwerpunktkontrollen durchführen“, sagt Marcus Deger. Dass die Route durch den Bulkesweg bei den Navi-Anbietern und bei Google Maps nicht mehr angezeigt wird, darum bemühe sich die Stadt sowieso. „Wie schnell das umgesetzt wird, haben wir aber leider nicht in der Hand“.

