Wasser ist ein kostbares Gut. Während Menschen in einigen Ländern der Welt oft stundenlange Märsche auf sich nehmen, um an sauberes Wasser zu kommen, dreht man hier einfach den Wasserhahn auf. Doch jetzt bekommt das Saubermann-Image Kratzer.
Ein Mangel ist Nitrat im Grundwasser. Das kann entstehen, wenn beispielsweise zu viel Gülle auf den Feldern ausgebracht wird. Vorwiegend besteht dieses Problem in Norddeutschland. Dies passte mit den Forderungen der Europäischen Union nicht überein und Deutschland wurde in der Folge aufgefordert, die Nitratwerte einzuhalten. Daraus resultierte die verschärfte Düngemittelverordnung. Sie schafft jetzt auch im Kreis Esslingen massive Probleme.
Entsprechend ernüchternd war daher der Jahresbericht im November 2019 des Geschäftsführers des Gruppenklärwerks Wendlingen (GKW), Rainer Hauff. Das Gruppenklärwerk produziert durch die Klärung des Abwassers aus mehreren Städten und Gemeinden im Landkreis zwischen 50 000 und 80 000 Tonnen Klärschlamm im Jahr. Der muss entsorgt werden. Doch die Entsorgungsunternehmen haben die Verträge gekündigt. Und nur eines der Unternehmen zeigte noch Interesse, überhaupt noch über einen neuen Vertrag verhandeln zu wollen.
Eine EU-weite Anfrage wurde auf der Plattform der EU-Kommission wurde in die Wege geleitet. Das Ergebnis: Es gibt nur einen Anbieter, der bereit ist, den Klärschlamm in eine Verbrennungsanlage zu schaffen. Dies bekamen in den letzten Wochen praktisch alle Gemeinden im Landkreis, die ein eigenes Klärwerk betreiben, zu spüren.
Die Schurwaldgemeinde Baltmannsweiler zum Beispiel entsorgt zwar „nur“ 420 Tonnen Klärschlamm im Jahr, muss aber durch die Monopolstellung des Entsorgers mit Preiserhöhungen von rund zehn Prozent rechnen.
Die Verteuerung sorgt auch in Filderstadt für Sorgenfalten. Norbert Branz, Leiter des Tiefbauamtes in Filderstadt hofft auf den technischen Fortschritt: „Die Phosphorrückgewinnung ist schwierig, aber die Wissenschaft ist zwischenzeitlich agil und es sind Verfahren in Erprobung.“
In Filderstadt fallen jährlich 3 100 Tonnen Klärschlamm an. Bisher konnte Klärschlamm in der Zementindustrie mitverbrannt werden. Jedoch blieb die Phosphorgewinnung dabei unter den bald geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Diese fordern, dass 80 Prozent des Klärschlamms dem Recycling zugeführt werden. „Die Monoverbrennung gilt derzeit als einziges funktionierendes Verfahren“, erklärt Branz. Aus der Asche des verbrannten Klärschlamms kann Phosphor gut zurückgewonnen werden.
Mit der neuen Düngemittelverordnung sind Kommunen ab 100 000 Einwohner sind ab 2026 dazu verpflichtet, Phosphor aus dem anfallenden Klärschlamm zurückzugewinnen. Kommunen ab 50 000 Einwohner haben sechs Jahre mehr Zeit, die Vorgabe umzusetzen.
Die Gemeinden im Kreis hoffen auf die geplante Monoverbrennungsanlage in Böblingen, die 2026 fertig sein soll. Die Baukosten liegen bei rund 105 Millionen Euro. Der Druck auf die Städte und Kommunen steigt, weil Deutschland hohe EU-Strafen zahlen muss, wenn die maximal zulässigen Nitratwerte nicht eingehalten werden. Ob damit allerdings auch genug Druck für die geplante Erweiterung auf dem Gelände des Restmüllkraftwerks in Böblingen besteht, ist fraglich. Denn: Es ist nicht gesagt, dass die Bürger in Böblingen den geplanten Neubau einfach so hinnehmen.
Zudem hat das Restmüllheizkraftwerk seinen Standort baulich bereits gut ausgereizt. Der dazugehörende Parkplatz müsste für die Müllfahrzeuge der Monoverbrennungsanlage weichen. Eine Ausdehnung über die heutigen Grenzen der Müllverbrennungsanlage hinaus ist jedoch mit viel Bürokratie verbunden, weil das Gelände den US-Streitkräften gehört. Das Innenministerium ist daher bereits mit den Plänen zum Bau der Monoverbrennungsanlage beschäftigt, ebenso das Regierungspräsidium Stuttgart als zuständige Aufsichts- und Genehmigungsbehörde. Betrieben werden soll die Monoverbrennungsanlage durch das Restmüllheizkraftwerk Böblingen und das dortige Personal.