Kirchheim
Wirt: „Das ist willkürlich, nicht evidenzbasiert“

Corona-Maßnahmen Kneipen und Bars haben ein klassisches Abendgeschäft und leiden besonders unter der vorgezogenen Sperrstunde. Von Thomas Zapp

Kirchheim. Fußballfans gehören zu den Stammgästen bei Thomas Heidkamp im Bistro 93 im Kirchheimer Stadtteil Jesingen: Eine Kleinigkeit zu essen, ein Bierchen und Fußball schauen. „Aber dann muss ich im Pokalfight St. Pauli gegen Dortmund die Leute zehn Minuten vor Abpfiff rausschmeißen“, erzählt der Gastronom. Wegen der Mitte Januar in der Warnstufe II eingeführten „Corona-Sperrstunde“ für Gastronomiebetriebe von 22.30 bis 6 Uhr lohnt sich auch für die Kicker des TSV Jesingen nach dem Abendtraining kein Besuch mehr. „Die Lage ist katastrophal, aber die Gäste ziehen toll mit“, sagt Heidkamp. „Auch für die Mitarbeiter ist das bitter, denen fehlen rund drei Stunden am Tag“, sagt er. 

Doch aufgeben kommt nicht infrage. Am heutigen Mittwoch öffnet auch Deny Sacarlino wieder seinen „Wilden Mann“ in Kirchheim. Vier Wochen hatte er wegen der Sperrstunde geschlossen, denn auch sein Hauptgeschäft findet nach 22 Uhr statt. Aber mit Auslaufen der staatlichen Unterstützung beim Kurzarbeitergeld kann er es sich schlichtweg nicht mehr leisten: „Ich muss aufmachen“, sagt er. Von 17 bis 22.30 Uhr öffnet er nun jeden Tag. „Dann sollen sie die Gastro ganz zusperren. Eine Sperrstunde bringt doch nichts, wenn die Gäste danach bei sich zu Hause weiterfeiern, aber ohne Luftfilter wie bei uns“, sagt Deny Scarlino. Verstehen kann er die Regelung ebenso wenig wie Thomas Heidkamp. „Nach 22.30 Uhr ist die Kneipe genauso coronakonform wie vor 22.30 Uhr, das ändert doch nichts an der Gefährdungslage. Das ist willkürlich, nicht evidenzbasiert“, meint er. Er glaubt, dass ohnehin viele in der Anonymität weiterfeiern.

„Ich hab die Hälfte meiner Kundschaft verloren. Man weiß nicht, was kommt, das ist ein Krampf“, sagt Ibrahim Yapar, der seine Hubbly Shisha Bar in Kirchheim derzeit nur von 17 bis 20 Uhr öffnet. Normalerweise öffnet er unter der Woche bis 1 Uhr, die meis­ten Gäste kommen nach 21 Uhr. Er gibt sich kämpferisch und hofft auf ein baldiges Ende der Maßnahmen: „Wir bleiben auf.“ Corona hat ihm den Tatendrang jedenfalls nicht genommen: „Wir wollen in der Stadtmitte am Rathaus eine neue, ​​​große Bar eröffnen. Sowas hat Kirchheim noch nicht gesehen.“​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​