Was sollte, was darf, was muss? Und vor allem: Wie diszipliniert sind meine Gäste? Die Verunsicherung unter Restaurantbetreibern, die am Montag zum ersten Mal seit der Zwangsschließung am 21. März wieder Gäste empfangen dürfen, ist gewaltig. Unter die Freude über die ersten Lockerungen mischt sich die Sorge, dass viele Regeln in der Praxis nur mühsam oder gar nicht einzuhalten sein könnten. Hinzu kommt eine Verordnung der Landesregierung, die wenig Schärfe, aber viel Interpretationsspielraum bietet. Strenge Hygieneregeln, Reservierungspflicht, eineinhalb Meter Abstand zwischen Gästen und Tischen - enger beieinandersitzen ist nur für maximal zwei Gruppen erlaubt, die jeweils einem Haushalt angehören müssen.
Piero Falco ist nicht der Einzige, der dieser Tage gespannt aufs Wetter schaut. Lässt sich in der nächsten Woche draußen sitzen, wird vieles einfacher. Seine kleine Enoteca in der Max-Eyth-Straße bietet auf 38 Quadratmetern nur sechs Tischen Platz und ist ein beliebter Treffpunkt. Bei ihm gehen fast ausschließlich Stammkunden aus und ein. Man kennt sich, rückt zusammen, es geht eng zu. Früher nannte man das gemütlich. Jetzt ist es ein Problem. 20 Gäste haben für Montag um eine Reservierung gebeten. Einigen hat er bereits abgesagt. Wieviele einfach so vorbeischauen wollen, wie diszipliniert die Leute sind, weiß er nicht. „Ich werde Gäste wohl auch wegschicken müssen,“ sagt er. „Wenn das Ganze nicht funktioniert, mache ich am Dienstag wieder zu.“
Wer Platz hat, kann die Sache entspannter angehen. Michael Holz freut sich auf den ersten Kundenkontakt nach neun Wochen. Seit Tagen ist er beschäftigt, Mitarbeiter zu instruieren, Laufwege auszuschildern und Tischabstände zu messen. Die Sonnencorona am Kirchheimer Gastro-Himmel geht am Montag bereits um Sechs in der Dreikönigstraße auf. Im „3K“, wo sonst erst spätabends der sprichwörtliche Bär steppt, gibt es zum Wochenstart vegetarische Burger, Kaffee und die druckfrische Lokalzeitung im Frühstückspaket. Wie sehr die Kirchheimer unter Entzugserscheinungen leiden, zeigt sich an den mehr als 20 Reservierungen, die Holz für seine ungewöhnliche Aktion schon hat. „Darunter Leute, die um diese Uhrzeit wohl kaum aus dem Bett wären, geschweige denn in der Kneipe,“ sagt er.
Ohne Reservierung kein Platz. Doch was, wenn die Leute reihenweise einfach so hereinschneien. „Wir sind ein Wanderlokal,“ sagt Michael Rothfuss. „ Bei uns reserviert so gut wie niemand.“ Der Pächter im Harpprechthaus bei Schopfloch macht sich Sorgen, ob seine Gäste von der üblichen Spontanität lassen können. Montag und Dienstag ist in den urigen Stuben der DAV-Sektion Schwaben ohnehin Ruhetag. Doch dann steht schon bald der Feiertag vor der Tür, und das Wetter soll gut werden. Ein Moment, den Rothfuss als neuer Pächter lange herbeigesehnt hat. Am 26. Oktober hat er die frisch renovierten Räume erstmals geöffnet. Die Vorfreude auf die erste Sommersaison war gewaltig, denn im Winter läuft nicht viel auf der Alb. Jetzt hat er Furcht, gleich die ersten Gäste zu vergraulen, indem der sie wegschicken muss. Eine Alternative gibt es nicht. „Wir müssen aufmachen,“ sagt er. „Wir brauchen dringend das Geld.“
Finanziell auf Rosen gebettet ist keiner der Gastronomen nach wochenlangem Stillstand. Trotzdem gibt es Lokale, in denen die Küche kalt bleibt. Ingrid Kümmerle, Chefin im „Rössle“ in Dettingen hat sich zu diesem Schritt entschlossen, weil sie sagt: „Das ist doppelter Aufwand bei halbem Ertrag.“ 65 Sitzplätze hat das Lokal. Nach Einhaltung der Abstandsregeln blieben 20 übrig, bei weitgehend unveränderten Fixkosten. Dazu kommt: Seit Wochen wartet sie auf Desinfektionsspender, die nicht geliefert werden. Langjährige treue Mitarbeiter weigern sich, mit Maske zu arbeiten. „Wir wollen für unsere Gäste da sein,“ sagt die „Rössle“-Wirtin. „Aber nicht unter diesen Bedingungen. Wann sie öffnen will? „Nicht vor Juni“, meint Ingrid Kümmerle.
Ähnlich sieht es ihr Dettinger Kollege Nino Butto. Auch das „Da Nino“ neben der Schlossberghalle bleibt zu, und zwar solange die Einschränkungen nicht gänzlich aufgehoben sind. „Alles andere ist unwirtschaftlich,“ sagt Butto, der wie seine Kollegin in der Ortsmitte das Privileg genießt, in den eigenen Räumen zu arbeiten. Er will warten, bis die Konditionen wieder akzeptabel sind. Bis dahin gibt es bei ihm nur Abholservice - in Familienregie.
Die Gastättenverordnung im Wortlaut gibt es unter https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/aktuelle-infos-zu-corona/verordnung-gastronomie/