Klimawandel, da war doch mal was? Thomas Hachenberger Co-Geschäftsführer des Verkehrsverbunds VVS, erinnert bei der kompetent besetzten Runde im Kirchheimer Rathaus daran, dass in der politischen Debatte vor gar nicht allzu langer Zeit dem öffentlichen Nahverkehr eine zentrale Rolle in der Verkehrswende zugeschrieben wurde. Nun regiert der Rotstift beim Bund und prompt wird das beliebte 49-Euro-Ticket ab kommenden Jahr neun Euro teurer. „Ich hätte gerne den MP im Bus gesehen“, sagt er. Der Ministerpräsident ist zwar nicht gekommen, dafür hat Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz die Oberbürgermeister Johannes Fridrich (Nürtingen), Pascal Bader (Kirchheim), die andere Geschäftsführerin der VVS Cornelia Christian, die erste Landesbeamtin Marion Leuze-Mohr und Jens-Ulrich Beck, Chef von Transdev, einem der wichtigen Transportunternehmen in der Region, eingeladen.
Gemeinsam fuhren sie in einem Elektro-Bus der WBG, die zu Transdev gehört, von Nürtingen nach Kirchheim, um nach Station im Rathaus dann noch den künftigen Landrat Marcel Musolf an seinem letzten offiziellen Arbeitstag als Bürgermeister in Bissingen zu besuchen. Als Landrat wird Musolf für den Busverkehr, die Stadtbahn und die „nicht regional bedeutsamen Schienenverkehre“ wie die Tälesbahn im Landkreis zuständig sein.
Wichtig: Vorfahrt für Busse
Natürlich war in der Runde auch das 49-Euro und künftige 58-Euro-Ticket ein Thema. Dabei ist die Erhöhung nicht das Hauptproblem für die Vertreter des Landes und der Kommunen und der regionalen Verkehrsverbünde. Das Problem ist die dauerhafte Finanzierung, wenn sich der Bund wie angekündigt ganz zurückzieht, denn dabei geht es um je 1,5 Milliarden für Bund und Land. „Das muss gesichert sein“, sagt Leuze-Mohr. Wegen der aktuellen Erhöhung hält Cornelia Christian „einen leichten Rückgang“ bei den Zahlen für möglich, „aber vielleicht auch gar nicht, wenn im Winter viele vom Fahrrad auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen“, sagt sie. Grundsätzlich ist das Ticket mit 560.000 Verkäufen in Baden-Württemberg – bundesweiter Rekord – ein Erfolgsmodell.
Beim Thema Tempo 30 in Städten ist die Runde nicht ganz einer Meinung. „Ich bin ein Verfechter von Tempo 30“, sagt Kirchheims OB Bader. Der Grund: Die Lärmverordnung mache es notwendig und weniger Geschwindigkeit bringe den Anwohnern tatsächlich mehr Ruhe.
Personalsuche wird schwierig
Man brauche Augenmaß und müsse jede Straße gesondert betrachten, meint sein Nürtinger Amtskollege Johannes Fridrich, man müsse ja nach Straßen- und Verkehrssituation entscheiden. „Wir brauchen vor allem eine Bus-Bevorrechtigung“, wendet Cornelia Christian ein und erntet zustimmendes Nicken. Das war die Essenz: Wenn die Busse langsamer fahren müssen, dann sollten sie zumindest Vorfahrt haben. Dazu gehöre auch eine gezielte Ampelschaltung, meint Fridrich, die allerdings auch ihren Preis habe.
Ein weiterer wichtiger Faktor, der dem Landespolitiker Schwarz mit auf die Reise zurück in die Fraktion gegeben wird: Die Personalsuche wird immer schwieriger. 80.000 Fahrerinnen und Fahrer werden bis 2030 fehlen, sagt Thomas Hachenberger. Ein zentraler Punkt sei, den Bus-Führerschein billiger zu machen, sagt Jens-Ulrich Beck. Der koste in Deutschland bis zu 15.000 Euro, in Österreich hingegen nur 4000 Euro. Da müsse man mal schauen, wie die das machen, meint Beck. Ein klarer Auftrag an die Politik, Andreas Schwarz macht sich eine Notiz. Jobs im Öffentlichen Verkehrsbetrieb können auch cool sein, weiß Cornelia Christian: „Junge Leute kommen zu uns mit einer einfachen Begründung: Weil ihr nachhaltig seid.“
Gute Nachrichten für Jugendliche, Azubis, Studenten und Meisterschüler bis 26 Jahre gibt es auch: Das Jugendticket BW wird verlängert, das wird weiterhin auch für ganz Deutschland gilt und 365 Euro pro Jahr kostet. 100 Millionen Euro lässt sich das Land die Verlängerung kosten. Aber auch das werde vermutlich etwas teuer werden, wieviel stehe aber noch nicht fest, sagt Cornelia Christian.