Staus und Parkplatzmangel, aber auch Verspätungen und Ausfälle bei Bus und Bahn: Beim Verkehr im Landkreis Esslingen läuft es nicht rund. Das legt zumindest eine Umfrage unserer Zeitung nahe. Sie gibt Aufschluss, worüber sich Verkehrsteilnehmer ärgern, wie sie Tag für Tag unterwegs sind und wie sich die Region im Vergleich zu anderen schlägt.
würde ich den ÖPNV noch öfter nutzen.
Vor allem was die Pünktlichkeit von Bus und Bahn sowie Ausfälle beim ÖPNV angeht, kommt der Landkreis Esslingen nicht gut weg – insbesondere bei Befragten aus dem südöstlichen Kreis, zu dem auch Kirchheim, Lenningen und Weilheim gehören. Rund 60 Prozent beurteilen diese Punkte als schlecht oder eher schlecht. Entsprechend äußern sich auch Teilnehmer der Umfrage. „Der Nahverkehr ist in unserer Region schlecht und teuer“, kritisiert eine Kirchheimerin. Eine Frau aus Lenningen stört sich vor allem an den Verspätungen: „Wenn die Bahn pünktlicher wäre, würde ich den ÖPNV noch öfter nutzen.“
Wunsch nach kürzerer Taktung
Ebenfalls ein großes Thema: der Fahrplan. „Ich würde den ÖPNV mehr nutzen, wenn er deutlich günstiger wäre und die Busse und Bahnen einen kürzeren Takt hätten“, so eine Kirchheimerin. Ein Notzinger schreibt: „Die Fahrzeit und vor allem die Taktung ist in manchen Orten eine Frechheit, und man ist dadurch auf das Auto angewiesen.“ Andere Befragte gehen auf die schlechtere Anbindung nach Mitternacht oder am Wochenende ein.
Viel Unzufriedenheit herrscht, was die Ticketpreise angeht: 73 Prozent der Antwortenden finden sie zu hoch. Ein Ärgernis sind für die Befragten zudem die Informationen zu Fahrplanänderungen. 65 Prozent finden sie nicht gut. Lob gibt es für den Online-Ticketkauf. Über die Hälfte findet ihn einfach.
Auffallend niedriger als der Durchschnitt im Gesamtgebiet ist im Kreis Esslingen das Sicherheitsgefühl in öffentlichen Verkehrsmitteln. „Nachts fahre ich lieber mit dem Auto als alleine mit der S-Bahn“, so eine Befragte.
Autofahrer sind unzufrieden
Aber auch die Infrastruktur für Autofahrer kommt vergleichsweise schlecht weg. Beim Gesamtranking im Themenfeld „Infrastruktur Auto“ belegt der Kreis Esslingen Platz 17 von 19. Dieses Mal bekommt der südöstliche Teil des Kreises bessere Noten als der Nordwesten mit Esslingen, Ostfildern und Filderstadt. Während sich rund die Hälfte der Befragten im Norden über Parkplatzmangel und hohe Parkgebühren ärgert, hat der Süden vor allem mit Staus zu kämpfen. 45 Prozent der Umfrageteilnehmer dort geben an, dass sie häufig im Stau stehen.
Wenig positiv erscheint zudem das Bild, das die Radfahrer zeichnen – wobei der Südosten weit besser im Gesamtranking dasteht als der Nordwesten. Letzterer landet von allen 52 untersuchten Teilgebieten auf dem vorletzten Platz. Zu bemängeln haben Radfahrer in erster Linie das Radwegenetz. Rund zwei Drittel kritisieren, dass es nicht genügend durchgehende Radwege gibt. Lediglich 14 Prozent beurteilen den Ausbau des Radwegenetzes als gut oder sehr gut. Auch bei der Breite der Radwege, der Räumung im Winter und dem Abstand, den Autos halten, gibt es aus Sicht der Befragten Luft nach oben.
Kritik an Lösung in Ötlingen
„Die Radwegeplanung erfolgt immer noch mit dem Autoblick“, ärgert sich ein Befragter aus Notzingen. Die Ortsdurchfahrt Ötlingen beispielsweise hält er für „extrem gefährlich“. Er findet auch: „Der Zustand der Radwege mit Schlaglöchern und Bodenwellen ist teilweise skandalös. Autostraßen würden nie so aussehen.“
Auf den hinteren Plätzen landet der Kreis Esslingen zudem beim Thema Sicherheit, unter anderem bei der Parkplatzsituation vor Schulen und Kitas: Fast 80 Prozent der Antwortenden hält sie für schlecht oder eher schlecht. Viele kritisieren auch die Schülerbeförderung. Besonders negativ schneidet da die Region um Teck und Limburg ab. 44 Prozent geben an, sie sei nicht gut organisiert.
Geäußert werden auch Wünsche und Vorschläge. „Ein S-Bahn-Anschluss von Kirchheim zum Flughafen wäre dringend notwendig“, so ein Befragter aus Kirchheim. Ein Neidlinger schreibt: „Ich wünsche mir mehr sichere Radwege“ – kurz, geradlinig und nicht nur durch eine weiße Linie von der Straße getrennt. Eine Kirchheimerin glaubt: „Wenn vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen werden soll, müssen diese deutlich günstiger werden.“ Kurze Wegstrecken etwa von Kirchheim nach Ötlingen oder Wendlingen sollten aus ihrer Sicht ganz kostenfrei sein.
An der Mobilitätsumfrage haben knapp 8000 Verkehrsteilnehmer aus insgesamt 18 Landkreisen und der Stadt Ulm teilgenommen. Sie wurde in Kooperation mit einem externen Dienstleister durchgeführt und ist nicht repräsentativ.
Kommentar: Ist alles nur eine Frage der Perspektive?
Es kommt auf die Perspektive an – auch beim Thema Verkehr. Das ist eine Erkenntnis aus der Mobilitätsumfrage unserer Zeitung. Denn wie gut oder schlecht die Menschen die Verkehrssituation im Kreis einschätzen, hängt von ihrer Wahrnehmung und dem persönlichen Umfeld ab. So fühlen sich beispielsweise die Intensiv-Autofahrer bei der Verkehrsplanung benachteiligt. Überzeugte Bahn- und Radfahrer dagegen finden, dass deren Belange durchaus beachtet werden. Ähnlich ist es mit den Ampeln: Autofahrer stufen die Ampelschaltungen als fahrradfreundlich ein, Radfahrer überhaupt nicht.
Heißt „schlecht“ immer etwas Schlechtes?
Ein anderes Beispiel: Unter dem Oberbegriff „Sicherheit“ prangt bei der „Parksituation vor Schulen und Kindergärten“ eine dicke, rote Vier minus. Über 70 Prozent der Umfrageteilnehmer halten sie für schlecht. Aber muss das auch etwas Schlechtes heißen? Wohl kaum. Denn die Kommunen sind aus gutem Grund bemüht, Elterntaxis zu verbannen, und werben dafür, dass die Schülerinnen und Schüler zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln kommen. Mit vielen Parkplätzen und viel Autoverkehr steigt die Sicherheit der Schüler nämlich nicht. Sie sinkt.
Und warum eigentlich nutzen gerade einmal acht Prozent der Umfrageteilnehmer regelmäßig Bus und Bahn? Liegt es an den Verbindungen, den Ticketpreisen oder einer grundsätzlichen Unlust? Ins Auge sticht dabei eine Zahl: Die Hälfte derjenigen, die nie oder selten den ÖPNV nutzen, gibt an, dass ihr Wohnort oder ihre Ziele nur schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Sprich: Es geht eben nicht nur ums Wollen. Wer auf dem Land wohnt oder weit weg arbeitet, hat oft gar nicht die Möglichkeit, unkompliziert auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen.
Wie der Albaufstieg in die Statistik spielen könnte
Auf den ersten Blick könnte man auch meinen, dass sich die Staus, über die sich so viele Autofahrer in der Umfrage ärgern, eher in den stuttgartnahen Städten abspielen. Tatsächlich aber schneidet der südliche Landkreis rund um Teck und Limburg besonders schlecht ab. Eine mögliche Erklärung ist die Nähe zum Albaufstieg. Regelmäßig gibt es auf der A 8 und den Umfahrungsstrecken Staus – zum Leidwesen der umliegenden Kommunen.
Also alles nur eine Frage der Perspektive und des persönlichen Umfelds? Ja und Nein. Unterm Strich zeichnet die Mobilitätsumfrage ein klares Bild, wie die Verkehrsteilnehmer unterwegs sind und welchen Schwierigkeiten sie begegnen. Und sie offenbart einige Punkte, in denen es Handlungsbedarf gibt – die Zuverlässigkeit des ÖPNV und das Radwegenetz etwa.
Bianca Lütz-Holoch