Karin Goetz kommt aus keiner „frommen“ Familie. Doch mit ihrer besten Freundin ging sie als Kind in Lindorf in die kirchliche Jungschar. Was sie dort hörte, erreichte ihr Herz: In ihren Unterlagen hat sie ein Bild aus der fünften Klasse entdeckt; zum Unterrichtsthema „Die Bibel – das Buch der Christen“ hatte sie damals sich selbst als Predigerin auf der Kanzel gemalt. Mit Talar, sauber sitzendem Beffchen und lauter weiblichen Zuhörerinnen. Unter dieser Kanzel in der Lindorfer Matthäuskirche wurde sie später konfirmiert. Auch die „lebensnahen Auslegungen“ des Ötlinger Pfarrers Christoph Reusch waren ihr wichtig: „Ich saß oft bei ihm im Gottesdienst.“ Nach dem Abitur am Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasium (LUG) ging es zuerst einmal nach England.
Karin Goetz studierte nicht nur evangelische Theologie, sondern auch Politikwissenschaft. „Ich ging nach Bonn, dort saß damals die Regierung, machte Praktika im Bundestag.“ Dann führte sie ihr Theologiestudium für ein Jahr in die USA. In Durham in North Carolina war sie als Praktikantin in einer schwarzen Gemeinde. Sie liebte die lebendigen Gottesdiente, freute sich über die vielen Reaktionen der Gemeindemitglieder.
Sie kehrte zurück nach Bonn, machte ihr theologisches Examen in Tübingen. Politikwissenschaft schloss sie in Berlin ab, arbeitete dort begeistert einige Monate beim Bevollmächtigten des Rates der EKD – dem „Kirchendiplomaten“, der die Interessen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gegenüber dem Staat vertritt.
Glaube und Politik trafen sich später bei ihr noch oft. „Die Diakonie ist mein Herzensanliegen. Das war im Vorpraktikum Liebe auf den ersten Blick.“ Die Diakonie müsse unter den Rahmenbedingungen des Sozialstaats arbeiten, sagt sie. Zugleich vertrete sie gegenüber dem Staat anwaltschaftlich die Bedürfnisse der ihr anvertrauten Menschen.
Nach dem Vikariat in Metzingen arbeitete Karin Goetz fünf Jahre lang beim Diakonischen Werk Württemberg in Stuttgart, danach trat sie ihre erste Pfarrstelle in Erkenbrechtsweiler-Hochwang an.
Dann ließ sie sich von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg freistellen, um neun Jahre in Bayern bei Diakoneo, dem größten Diakoniewerk Süddeutschlands, zu arbeiten. Bis Sommer 2019 war es als „Diakonie Neuendettelsau“ bekannt. Dort war sie nicht nur als Referentin des Vorstandsvorsitzenden, sondern auch an der Basis bei Menschen mit Behinderungen tätig. „Das hat mir gut gefallen, die Menschen wollen sich beteiligen, das ist wie damals in der schwarzen Kirche in den USA.“
Als die Freistellung auslief, stand Karin Goetz als Alleinerziehende da: Ihr einst gesunder Ehemann war an den katastrophalen Folgen einer „Untersuchung nur zur Sicherheit“ im Krankenhaus gestorben. Kennengelernt hatte sie ihn in Neuseeland, nun ist er im Lindorfer Familiengrab begraben. In Lindorf wohnt auch ihre Mutter, die ihr nun bei der Betreuung von Sohn Paul helfen kann, der soeben an der Grundschule Ötlingen eingeschult wurde. „Dort unterrichte ich Religion, aber nicht in Pauls Klasse.“ Karin Goetz ist froh, nach Lindorf zurückzukehren: „Es fühlt sich sofort wie Heimat an.“ Trotz aller Veränderungen – so zugeparkt wie heute sei Lindorf früher nicht gewesen, sagt sie. Den Umzug aus Neuendettelsau hat sie im August überstanden, aber noch stehen viele Umzugskartons im Pfarrhaus. Sie freut sich auf die Zusammenarbeit mit dem Kollegen Christian Lorösch – Ötlingen und Lindorf bilden eine gemeinsame evangelische Kirchengemeinde.
Gerne erzählt Karin Goetz die alte Geschichte von den beiden Mönchen, die nach dem Ort suchen, am dem sich Himmel und Erde berühren. Sie durchwandern die ganze Welt, bestehen Gefahren, erleiden Entbehrungen und widerstehen Versuchungen. Dann endlich stehen sie am Ende der Welt vor einer Tür. Als sie diese voller Spannung öffnen, betreten sie ihre heimische Klosterzelle. „Ich freue mich, nach Kirchheim zurückzukommen, wo mir die Kirche zu einem Heim geworden ist.“
Info: Die Investitur mit Dekan Christian Tsalos am Sonntag, 18. September, beginnt um 15 Uhr in der Lindorfer Matthäuskirche. Es folgt ein Stehempfang.