Kirchheim
Wo sind all die Kellnerinnen und Köche hin?

Wirtschaft Darum fehlt es der ­Gastronomie häufig an Personal: Es liegt nicht nur an Corona, meinen die Wirte aus Kirchheim und Umgebung. Von Thomas Zapp

Manchmal kann die Lösung ganz einfach sein: „Ich habe einen neuen Küchenchef. Der alte war genial, aber menschlich war es schwierig“, sagt Robert Ruthenberg, Inhaber des Stadthotels Waldhorn mit dem Restaurant Holz & Feuer. Die gute Arbeitsatmosphäre locke neue Arbeitskräfte an, derzeit könne er nicht über einen Mangel an Arbeitskräften klagen, sagt der Gastronom. Auch musste er seine Öffnungszeiten nicht einschränken. Damit befindet er sich aber in einer komfortablen Position und bildet eher die Ausnahme.
 

„Man sucht nur immer diese Perlen, die flexibel und kurzfris­tig reagieren können.
Jesse Burgmann
Inhaber des Burgmann’s in Weilheim

 

Von Kollegen höre er anderes, vor allem von jenen, die keine Familienbetriebe haben oder Verwandtschaft aus dem Heimatland nachholen können. Der Gaststättenverband Dehoga spricht bundesweit von rund 100 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die der Branche wegen Lockdown und Kurzarbeit verloren gegangen sind.

Andere Gastronomiebetriebe wie das Deutsche Haus oder das Kirchheimer Hotel Fuchsen suchen auf ihren Websites Servicekräfte für Restaurant oder Biergarten, Köche, Beiköche, Küchenhilfen. Warum händeringend Personal gesucht wird, weiß Walter Brackenhammer, langjähriger Weindorf-Wirt und Kirchheimer Eventgastronom. „Ich höre immer, das liegt an Corona, aber ich kenne keinen, der in der Zeit der Lockdowns die Branche gewechselt hat“, sagt er. Vielmehr sei das ein Prozess, der sich schon seit Längerem angekündigt habe. „Früher war ein Großteil in der Gastronomie geringfügig beschäftigt, heute ist das für viele nicht mehr attraktiv.“  Der Gesetzgeber hat eine Höchstarbeitszeit von zehn Stunden täglich festgelegt. Wer also im Hauptberuf bereits Vollzeit mit acht Stunden pro Tag arbeitet, dürfte im Nebenjob nur zwei Stunden arbeiten. Macht bei fünf Arbeitstagen zehn Stunden in der Woche. Das ist besser für die Gesundheit, aber schlecht für das klassische Geschäftsmodell vieler Gastronomen. 

Work-Life-Balance wichtig

„Auch hat ein Umdenken bei der jüngeren Generation stattgefunden: Da steht die Work-Life-Balance im Vordergrund“, sagt Brackenhammer. In den Ferien für ein Auto schaffen, das war einmal: Heute verzichtet man lieber und genießt die freie Zeit und kauft sich bestenfalls ein 9-Euro-Ticket für eine Reise durch die Region. Der Branchenverband Dehoga sieht das anders: „Wir wissen, dass nicht wenige in die Logistikbranche oder auch in den Einzelhandel gewechselt sind. Teilweise wurden unsere Mitarbeiter auch gezielt von diesen Unternehmen abgeworben“, heißt es dort. 

„Man sucht nur immer diese Perlen, die flexibel und kurzfris­tig reagieren können“, sagt Jesse Burgmann, Inhaber des Burgmann’s in Weilheim. Die zu finden, das ist wie ein Sechser im Lotto. Das bestätigt auch Ralf Stümpfle vom Gasthaus Hirsch in Schlattstall. „Viele Mitarbeiter haben heute einen hohen Freizeitbedarf“, sagt er. Nach der Corona-Zeit seien viele erst mal in Urlaub gegangen. Und als er an einem Feiertag Aushilfen benötigte, waren vier von fünf weggefahren. „Das hätte es vor fünf Jahren nicht gegeben“, sagt er. Da er in seinem Zwei-Mann-Betrieb mit einer Festangestellten das meiste abdecken kann, konnte er seine Öffnungszeiten beibehalten. „Wir sind dann auch so frei und sagen, wenn es zu viel wird oder es bei zwei Feiern nicht noch à la Carte gibt“, sagt Ralf Stümpfle. 

Die Zurückhaltung bei Einstellungen habe aber auch damit zu tun, dass die Planungssicherheit nicht mehr so stabil ist wie früher, sagt der Weilheimer Wirt Jesse Burgmann. Man überlegt es sich einmal mehr, ob man jemand anrufe oder nicht. An der Stelle scheinen die Erfahrungen der Corona-Pandemie dann doch eine Rolle zu spielen. Die Mitarbeiter, die weggegangen sind, kommen auch nicht mehr zurück, stellt Robert Ruthenberg fest. Und speziell in Kirchheim gelte, dass es kaum Studenten gebe, die in der Gastronomie arbeiten wollen. 

Andere setzen dagegen Zeichen gegen den Trend: Michael Böhringer hat seit 1. April den Kirchheimer „Hirschgarten“ übernommen. „Ich könnte noch gut zwei, drei Mitarbeiter gebrauchen, aber momentan geht es auch so“, sagt er. Als der langjährige Betreiber Reinhard Segatz seinen Ruhestand andeutete, hat Böhringer nicht lange überlegen müssen. Er kommt eigentlich aus der Industrie, hat nebenher im Biergarten gearbeitet. Nun ist er den Weg in die Gastronomie gegangen: So herum geht es offenbar auch.