Kirchheim
„Woman est omen“ mit Barbara Stoll war eine gelungene Überraschung

Liederprogramm Das Multitalent Barbara Stoll unterhielt mit Satire und nachdenklichen Texten bestens das Publikum im Keller des Spitals in Kirchheim. Der Abend fand im Rahmen der Frauenkulturtage statt. Von Iris Häfner

Dieser Abend war voller gelungener Überraschungen. Das lag vor allem an Barbara Stoll, die nachdenklich und gewitzt, ernst und lustig, vor allem aber mit ihrer Präsenz, ihrer Textauswahl, ihrem Schauspiel und erst recht mit ihrer Stimme glänzte. „Woman es omen“ heißt ihr Programm und war somit prädestiniert für die Frauenkulturtage in Kirchheim. Veranstalter war die Volkshochschule, weshalb der Liederabend im Spitalkeller stattfand.

Schon der „Einmarsch“ hatte es in sich. Im langen roten Admiralsmantel betrat Barbara Stoll den Raum, gefolgt von Pianist Frieder Egri. Die Begrüßung übernahm sie selbst, ebenso die herzliche Vorstellung ihres musikalischen Partners: „Wir kennen uns schon seit Jahrzehnten – seit einer mehrwöchigen Kreuzfahrt nach Rio de Janeiro“, verriet sie – und dass es richtige Arbeit ist, auf so einem Schiff Tag für Tag für Unterhaltung zu sorgen. Das schweißt ganz offensichtlich zusammen.

„Auch wenn es gerade nichts zu feiern gibt, in Schockstarre sollten wir deshalb nicht verfallen. Es braucht die Kultur neben all dem Schrecklichen – und Humor. Wir lassen uns das Lachen nicht verbieten und das Leben nicht verdrießen. Angst lähmt, Lachen befreit. Der Despot in Russland hat jetzt schon verloren – wie stark sind die Ukrainer“, fand Barbara Stoll  – Sprecherin, Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin aus Stuttgart – klare Worte, ehe sie in ihr Programm einstieg. 

 

Es gibt selten Lieder, die so Spaß machen wie der ,Neandertaler’.
Barbara Stoll

 

„Was man mit dem Leben alles machen könnte, wenn man über alle Leute lachen könnte!“, begann sie mit einem Lied von Georg Kreisler. Auch Anne Frank kam zu Wort: „Warum gibt es jeden Tag Millionen an Geld für den Krieg und keinen Cent für die Heilkunde, für die Künstler, für die armen Menschen? . . . Im Menschen ist nun mal ein Drang zur Vernichtung, ein Drang zum Totschlagen, zum Morden und Wüten, und solange die ganze Menschheit, ohne Ausnahme, keine Metamorphose durchläuft, wird alles, was gebaut, gepflegt und gewachsen ist, wieder abgeschnitten und vernichtet, und dann fängt es wieder von vorn an.“ Nahtlos ging es zu George Orwell: „Wenn der weiße Mann zum Tyrannen wird, zerstört er seine eigene Freiheit.“

Dann wurde die Frau mit all ihren Facetten voller Humor selbstironisch unter die Lupe genommen. Das Ganze gipfelte in dem Lied „Neandertaler“ von Günter Neumann. Eine Kostprobe: „Unser'n Eisschrank ham wir oben auf dem Gletscher, Sodawasser holt er mir vom nahen Quell, kommt ein wilder Bär, dann zeigt er sich als Catcher und 'ne Stola schenkt er mir vom Bärenfell.“ Den Spaß, den sie beim Singen empfand, war nicht zu übersehen und nicht zu überhören. Dann waren Susanne und Gerhard an der Reihe und damit der Unterschied zwischen Frau und Mann. Während er an sein reparaturbedürftiges Auto denkt, sinniert sie über die Beziehung nach. Der sich daraus ergebende Dialog ist so irrwitzig realistisch, dass sich alle köstlich amüsieren, einschließlich der Mann am Klavier.

Wie gut den Zuhörerinnen und den vereinzelteten Zuhörern das Programm gefallen hat, zeigte der Nachklapp zum Konzert. Ungezwungen im Rund standen viele bei Barbara Stoll, um mit ihr ins Gespräch zu kommen und vor allem um zu erfahren, wessen Texte sie wie verarbeitet hat. „Es gibt selten Lieder, die so Spaß machen wie der ,Neandertaler’“, sagte sie und outete sich als großen Fan der Dichterin Mascha Kaléko. Ferner schätzt sie etwa auch Georg Kreisler, Franz Hohler, Bertolt Brecht und einige mehr – ebenso Kurt Tucholsky. Sein Gedicht „Danach“ beginnt mit „Es wird nach einem happy end im Film jewöhnlich abjeblendt“. „Es ist eine bitterböse Satire über die Ehe“, resümierte sie und verriet zum Schluss, dass der Text „Woran das Herz hängt“ aus ihrer Feder stammt.