Kirchheim
Zöliakie: Wenn normales Essen krank macht

Ernährung Für Menschen mit Zöliakie ist glutenfreie Ernährung keine Lifestyle-Frage. Sie ist eine zwingende ­Notwendigkeit. Gesund zu bleiben, ist für viele von ihnen ein harter Kampf. Von Antje Dörr

Ins Restaurant gehen und unbekümmert etwas von der Speisekarte bestellen: Was für die allermeisten Menschen selbstverständlich ist, ist für Menschen, die an Zöliakie erkrankt sind, ein Ding der Unmöglichkeit. Kleinste Spuren des Klebereiweißes Gluten lösen bei ihnen eine Entzündung des Dünndarms aus. „Wenn jemand ein Weizenbrot anfasst und danach mein Essen, spucke ich stundenlang und bin danach drei Tage k. o.“, erzählt ein Mitglied der Selbsthilfegruppe Albtal der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft. Sie und andere Betroffene sind an diesem Abend im Feuerwehrmuseum Kirchheim zusammengekommen, um den drei Landtagsabgeordneten Andreas Schwarz (Grüne), Natalie Pfau-Weller (CDU) und Andreas Kenner (SPD) davon zu erzählen, was ihnen unter den Nägeln brennt. 

 

Im Supermarkt muss ich glutenfreie Produkte mit der Lupe suchen.
Ein Betroffener
 

Wer den Betroffenen zuhört, lernt, dass es zwar Maßnahmen gibt, um Betroffene zu schützen, diese Maßnahmen aber nicht umgesetzt werden. Seit 2010 gebe es in der Gastronomie die Liste mit Allergenen, die man auslegen muss, sagt ein Mann und schiebt hinterher: „Die einen haben sie nicht, die zweiten wissen es nicht, die dritten finden sie nicht.“ Er wünscht sich schärfere Kontrollen in der Gastronomie. Deutschland sei bei Zöliakie eine Art Entwicklungsland. In Supermärkten müsse er Produkte, die mit der durchgestrichenen Ähre gekennzeichnet und damit garantiert glutenfrei sind, mit der Lupe suchen. In den USA sei das beispielsweise ganz anders. „Man ist immer wieder benachteiligt“, beklagt er. Dass Länder wie Großbritannien bei diesem Thema schon viel weiter sind, hat auch Andreas Kenner gehört. „Da sollten wir schon einen Ehrgeiz einwickeln. Es sollte kein Problem sein, sich glutenfrei zu ernähren“, sagt er.

Ein großes Anliegen der Betroffenen ist es, dass das Personal im Hotel- und Gaststättenbereich besser geschult wird. Andreas Schwarz bietet an, den Kontakt zum Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und der Industrie- und Handelskammer (IHK) herzustellen. „Der Dehoga hat das schon in seinen Ausbildungsinhalten verankert, aber vielleicht ist vielen noch nicht klar, welche Schritte praktisch ergriffen werden müssten“, sagt Natalie Pfau-Weller. Da können die Betroffenen gerne Nachhilfe erteilen. Beispielsweise müsste es für Pommes und Schnitzel zwei unterschiedliche Fritteusen geben, damit das Pommes-Fett nicht mit Panade „kontaminiert“ wird. „Zwei Fritteusen reichen aber nicht aus. Sie müssen auch weit genug auseinander stehen, damit keine Fettspritzer von der einen in die andere gelangen“, sagt ein Gruppenmitglied. Überhaupt sei Hygiene das A und O. Ein anderes schlägt vor, in Mensen oder Großküchen einfach kein Weizenmehl mehr zu verwenden, um Soßen abzubinden, sondern Mais- oder Kartoffelstärke. Für Schnitzel gebe es glutenfreies Paniermehl.

Ein Anliegen der Betroffenen ist, dass sie die höheren Kosten, die ihre besondere Ernährung verursacht, steuerlich geltend machen können, sagt die Koordinatorin der Selbsthilfegruppe, Nicole Stöckle. Bislang ist das nicht so, und die Abgeordneten machen den Betroffenen keine Hoffnung, dass sich daran so schnell etwas ändert. „Das ist ein dickes Brett“, sagt Andreas Schwarz. Das ärgert die Mitglieder der Selbsthilfegruppe. „Eigentlich wäre es doch sinnvoller, unsere Ernährung zu bezuschussen, als irgendwann ein Medikament durchlaufen zu lassen, das so viel kostet wie ein SUV“, sagt ein Mann.