Diese Zahlen lassen für Thomas Doll wenig Interpretationsspielraum: 14 totgefahrene Wildtiere seit März vergangenen Jahres auf gerade mal 300 Meter Straßenlänge zwischen Nabern und dem Egelsberg. In all den Jahren zuvor gab es in dem kleinen Waldstück etwa alle zwei Jahre einen Wildunfall. Für den Jagdpächter liegt die Ursache vermehrten Tierleids klar auf der Hand: Im März wurde der seit den 1960er-Jahren bestehende Wildschutzzaun entlang der K 1252 auf beiden Seiten wegen Forstarbeiten abgerissen. Schon kurze Zeit später hat sich die Häufung der Wildunfälle gezeigt, weshalb sich auf Drängen Thomas Dolls und der Initiative des CDU-Landtagsabgeordneten Karl Zimmermann eine Kommission mit verschiedenen Amtsleitern und Mitarbeitern der betroffenen Ämter Ende Juli traf, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Auch Naberns Ortsvorsteherin Veronika Franco Olias war dabei. Das Ergebnis stimmte den Jagdpächter alles andere als froh, denn alle Entscheidungsträger - von der Forst- und Straßenverwaltung bis hin zum Amt für Bauen und Naturschutz - waren sich einig: Es braucht keinen Zaun.
Für den Jäger ist aber die Ursache der gehäuften Unfälle mit Wildtieren seit dem Abriss des Zauns klar: „Sie liegt in der besonderen Konstellation dort.“ In dem kleinen Wald ist das Wild großem Freizeitdruck ausgesetzt. Viele Spaziergänger mit und ohne Hund, Radfahrer, Jogger und Reiter sorgen für permanente Unruhe - und die Kreisstraße führt durch den letzten Zipfel Wald. „Auf der Ochsenwanger Steige mit zweieinhalb Kilometer Länge gibt es im Jahr fünf bis sechs Wildunfälle, im fünf Kilometer langen Tiefenbachtal vom Abzweig bei Owen bis Nürtingen zwischen sechs und acht“, sagt Thomas Doll. Die Zahlen sind nicht nachprüfbar, die Polizei erhebt keine Statistik. Um einen Überblick zu erhalten, haben Jäger das Tierfund-Kataster entwickelt. Jeder kann mitmachen und via Internet ein überfahrenes Tier melden. Die Zahl 18 steht in einem rot umrandeten Kreis exakt im Waldstück bei Nabern, die Zahl elf im Tiefenbachtal. Laut der virtuellen Karte wurde auf der Ochsenwanger Steige nur ein Reh überfahren - die Bilanz der vergangenen vier Jahre. Doch auch diese Zahlen ergeben kein vollständiges Bild.
Kurz vor Weihnachten sind die bislang zwei letzten Tiere tödlich verletzt worden. Ein Reh wurde überfahren, eines angefahren. „Das angefahrene Reh habe ich gleich nach der Benachrichtigung durch die Polizei erfolglos gesucht und bei der Nachsuche am nächsten Tag gefunden - jämmerlich verendet und bereits von Füchsen angefressen“, zeigt der Jäger die unschöne Seite seines Hobbys auf. Außerdem weiß Thomas Doll von weiteren Fast-Zusammenstößen, die ihm gemeldet wurden und sagt weiter: „Nicht jeder Wildunfall - aus welchen Gründen auch immer - wird der Polizei gemeldet. Ich finde dann das Tier.“ Er will dem Leiden nicht tatenlos zusehen und hat ein Plakat entworfen, das in den sozialen Medien kursiert und an Supermärkten hängt. Es zeigt einen toten Dachs und tote Rehe im Straßengraben. Seine Forderung: Der Zaun muss wieder her.
Dem widerspricht das Landratsamt. „Der Biotopverbund steht im Vordergrund, daher plant der Landkreis keinen neuen Wildschutzzaun zwischen Nabern und Weilheim“, lautet die klare Stellungnahme. Als der Zaun abgerissen wurde, sei er stark beschädigt gewesen, habe große Lücken aufgewiesen. „Damit konnte er seiner Funktion als Wildschutzzaun bei Weitem nicht mehr gerecht werden“, so der Pressesprecher. Er bezieht sich auf den Ortstermin im Sommer, bei dem alle Argumente des „Für und Wider“ eines Wildschutzzaunes geprüft und abgewogen worden seien. „Das Landratsamt bleibt bei seiner Entscheidung, den Zaun nicht erneut aufzustellen“, stellt er klar.
Aus Sicht des Naturschutzes sollen Einfriedigungen in der freien Landschaft möglichst vermieden werden, da dadurch die ökologische Durchgängigkeit eingeschränkt wird. „Insbesondere für die Bemühungen, Biotopverbünde zu schaffen, ist die Errichtung von Zäunen kontraproduktiv. Außerdem verlagert ein Wildschutzzaun die Problematik des Wildwechsels auf die Anfangs- und Endbereiche eines Zauns“, erklärt der Pressesprecher. Auch dürfe nicht übersehen werden, dass Tiere sich in solchen Zäunen verfangen und verenden können. „Nach der amtlichen Statistik ist dieser Streckenabschnitt im Kreisvergleich nicht auffällig. Die Kreisverwaltung wird die Verkehrssituation im Auge behalten und eine Gefahrenbeschilderung im Rahmen einer Verkehrsschau im Frühjahr prüfen“, verspricht der Pressesprecher.