Jubiläum
Zehn tapfere Bläser – damals wie heute

125 Jahre – ein stattliches Alter, das dem Musikverein Ötlingen allen Grund zum Feiern gibt. Die kleine Gruppe legt großen Wert auf Geselligkeit und Zusammenhalt, denn hier zählt jeder Ton.

Qualität vor Quantität: Die zehn aktiven Musiker des Ötlinger Musikvereins im Jubiläumsjahr 2025. Fotos: pr

Dienstagabend um halb acht. Probenbeginn für den Ötlinger Musikverein. Im Halbkreis positioniert, mit den Instrumenten am Mund, warten zehn Musiker auf den Taktschlag von Franziska Essl. Links außen hat sie ihren Platz, und von dort aus einen recht guten Blick auf ihre Musiker-Kollegen. Die Dirigentin steht selten vor der Gruppe. Nur bei besonders herausfordernden Stücken sind präzise Instruktionen von vorne dann doch notwendig. Diese Aufgabe hat sie seit nunmehr einem Jahrzehnt inne. 

Der Ötlinger Musikverein gehört mit zehn aktiven Musikern zu den kleineren seiner Art. „Bei uns ist jede Stimme nur einmal vergeben. Ein Blasorchester können wir mit dieser Besetzung nicht machen“, sagt Franziska Essl. Einfacher ist es deswegen keinesfalls – im Gegenteil. „Fehler hört man sehr leicht raus“, ergänzt sie. Bei so wenig Musikern ist Vollzähligkeit in den Proben umso wichtiger. „Bei uns richten’s alle ein, dass sie da sind. Wenn nur einer fehlt, klingt es schon ganz anders“, sagt die Dirigentin. Zu Pandemie-Zeiten hatte die kleine Gruppengröße einen enormen Vorteil: Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen, haben sich die Ötlinger Musiker treffen und proben dürfen.

Ist am Dienstagabend der musikalische Teil geschafft, geht es in den geselligen Abschnitt des Abends über. Das Beisammensein mit Getränken wird liebevoll als „Nachbesprechung“ oder „Theorieprobe“ bezeichnet und hat einen hohen Stellenwert bei der Gruppe. „Vor 30 bis 40 Jahren hat der zweite Teil länger gedauert als die eigentliche Probe“, lacht der langjährige Bläser Manfred Loy.

 

Im Jahr 1900 wurde unter der Leitung von Dirigent Planitz (vierter von links) die „Oethlinger Musikkapelle“ ins Leben gerufen, auf die sich der Ötlinger Musikverein zurückführen lässt.

 

Eine Glatze fürs Disneyland

Trompeter Markus Oster ist mit seinen 36 Jahren einer der Jüngsten im Ötlinger Musikverein. Als er noch in der Jugendkapelle spielte, reiste er mit seinen Musiker-Freunden ins Disneyland Paris. Um die Kosten für die Familien gering zu halten, gab es eine sehr spezielle Sponsoren-Idee: Ein Vereinsmitglied hat sich bereiterklärt, seine komplette Haarpracht abrasieren zu lassen. Und so skurril wie es auch klingen mag, ist der Plan tatsächlich aufgegangen. Über 1000 D-Mark wurden mit der Spendenaktion eingenommen, die noch heute in guter Erinnerung ist und für ein Schmunzeln in den Gesichtern der Bläser sorgt. 

Den Ötlingern ist der Kontakt zu anderen Musikvereinen sehr wichtig. Regelmäßige Ausflüge durch die ganze Republik gehören für die Musiker zu den Jahreshighlights. Am weitesten gereist sind sie für einen Besuch in Hamburg. Neben Sightseeing durfte auch ein gemeinsamer Konzertabend mit einem befreundeten Musikverein der Hansestadt keinesfalls fehlen. Im Jahresplan fest verankert ist das jährliche Aufstellen des Ötlinger Maibaums. „Da sind wir ganz stolz drauf, das noch in Eigenregie wuppen zu können“, sagt Franziska Essl. Als es wettertechnisch vor drei Jahren mal nicht am geplanten Tag klappte, wurde das Fest auf einen Werktag verlegt. „Die haben uns die Bude eingerannt. Es war verrückt, wie schnell wir ausverkauft waren“, freuen sich die Bläser noch heute über den Erfolg der musikalisch-kulinarischen Feierabend-Veranstaltung.

 

Im November 1926 übernahm Musikdirektor Wilhelm Frey die Leitung des Musikvereins Ötilingen, der zu dieser Zeit aus 22 männlichen Bläsern bestand.

 

Zurück zum Anfang

Einmal Blasmusik in der Woche reicht den Ötlingern nicht aus. Fast alle von ihnen musizieren zusätzlich noch in anderen Musikvereinen in der Umgebung. Eine weitere Besonderheit in Ötlingen sind die Klänge einer Ziehharmonika. Dirigentin Franziska Essl spielt nicht nur Posaune, sondern beglückt die Gruppe hin und wieder auch mit ihrer „Quetschkommode“.

Während heutzutage auch Querflöte, Klarinette und Saxophon im Einsatz sind, wurde zu den Anfängen des Vereins ausschließlich mit Blechblasinstrumenten musiziert. Acht Männer starteten im Jahr 1900 als „Musikkapelle Oethlingen“. Eine Anzeige aus dem Teckboten-Archiv bezeugt einen musikalischen Festakt zur Einweihung einer neuen Turnhalle im Jahr 1903. Einige Jahre später sind mehr als die Hälfte der Bläser dem Ersten Weltkrieg zum Opfer gefallen. Die Gruppe war nach Kriegsende nicht mehr spielfähig. Erst 1925 wurde mit Unterstützung der Feuerwehr wieder eine Musikkapelle gegründet. Zehn Musiker trafen sich damals zum Proben – dieselbe Anzahl, wie exakt 100 Jahre später auch. Zu Hochzeiten waren es derweil über 30 Mitglieder und auch die Jugendkapelle war mit rund 25 Musikern gut besucht.

An übrigen Instrumenten mangelt es keinesfalls. Sollten Freunde der Blasmusik in Ötlingen eine musikalische Karriere starten wollen, so sind sie jederzeit willkommen. Die langjährige Vorsitzende Kerstin Loy garantiert: „Wir sind ein lustiger Haufen, und wir beißen nicht.“

 

Um 1950 wirkt der Musikverein beim Ötlinger Sportfest.

 

Jubiläumsprogramm

Das 125-jährige Bestehen des Musikvereins Ötlingen wird gebührend gefeiert: Der Auftakt zum Jubiläums­jahr findet am Freitag, 14. März, um 18.30 Uhr im Haus der Vereine in Ötlingen statt. Außer musikalischen Beiträgen des Musikvereins wird es Grußworte, Ehrungen sowie einen Vortrag zur Geschichte des Vereins geben. Anschließend wird zu einem Ständerling eingeladen. Am Samstag, 22., und Sonntag, 23. März, lädt der Musikverein Ötlingen zu einem Festwochenende in die Kirchheimer Eduard-Mörike-Halle ein: Am Samstagabend tritt ab 20 Uhr die Blasmusik-Gruppe „Bert­hold Schick und seine allgäu 6“ auf. Karten gibt es im Glühwurm Ötlingen, beim Vorsitzenden des Vereins sowie auch an der Abendkasse zu erwerben. Am Sonntag umrahmt der Musikverein Ötlingen gemeinsam mit dem Chor „alla breve“ einen ökumenischen Gottesdienst ab 9.30 Uhr. Anschließend werden Besucherinnen und Besucher von der Gruppe „Blechaholics“ und der Gruppe „teckbrass“ unterhalten. Für Verpflegung ist gesorgt.