Kirchheim
Zehntscheuer: Martin Schmitt liefert Unterhaltung vom Feinsten

Kabarett Mit seinem Programm „Jetz‘ is Blues mit lustig“ sorgt Martin Schmitt in der Naberner Zehntscheuer für einen äußerst vergnüglichen Abend. Von Rainer Kellmayer

Als Martin Schmitt zu rasanten Ritten über die Tasten des Flügels ansetzte, kam man aus dem Staunen nicht heraus. Da der im oberbayerischen Hechendorf lebende Jazzer zudem ein wort- und stimmgewaltiger Kabarettist ist, erlebte das Publikum in der Naberner Zehntscheuer einen äußerst vergnüglichen Abend. Bevor Schmitt jedoch sein Programm unter dem Motto „Jetz‘ is Blues mit lustig“ mit einem Jazzklassiker – dem „St. Louis Blues“ von W.C. Handy – startete, gab es eine Vorlesung in Sachen musikalischer Formenlehre.

Meister des Jazzpianos

Ob die Zuhörerinnen und Zuhörer Schmitts tiefschürfende Analyse von Handys Evergreen verstanden haben, sei dahingestellt. Sicher ist jedoch, dass sie die energiegeladene Umsetzung in Tönen goutierten. Schmitt entpuppte sich als Meister des Jazzpianos: Die Bässe setzten markante Fundamenttöne, flitzende Finger rasten über die Tasten, und das Ganze sprühte geradezu vor Esprit.

Damit war das Eis gebrochen und die begeisterten Zuhörer sparten nicht mit Applaus und spontanen Lachern. Etwa als Schmitt im witzigen „Airline Boogie“ Verbesserungsvorschläge offerierte, wie man die trockenen Ansagen in Flugzeugen aufpeppen könnte, oder als er ein Zitat des früheren Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel parodierte: „Religion isch fei, als wenn ma im a dunkle Zimmer a schwarze Katz‘ sucht. Es isch aber koine do“.

Schmitts Plappereien im urbayerischen Dialekt, die unmittelbar und störungsfrei ankamen, verschonten nichts und niemanden. An der falschen Stelle applaudierende Zuhörer bekamen ebenso ihr Fett weg wie störender Handygebrauch, und als der Entertainer über die Eigenarten des sächsischen Dialekts oder den Ärger mit Marderbissen schwadronierte, war er ganz in seinem Element.

Mitten aus dem Leben

Mal waren die Geschichten böse, mal nachdenklich-melancholisch – immer jedoch waren die Szenen mitten aus dem Leben gegriffen. Und auch als sich Schmitt über das sonderbare Verhalten mancher Zeitgenossen in der Midlife-Crisis, oder nicht ganz störungsfreie Reiseerlebnisse im Bayerischen Wald ausließ, hatte er die Lacher auf seiner Seite.

Auch seine eigene Familie verschonte Schmitt nicht: „Meine Großeltern waren sich zeitlebens in herzlicher Abneigung innig verbunden.“ Insbesondere hat ihn der Humor seiner Großmutter fasziniert, die gerne derbe Sprüche zum Besten gegeben habe.

Immer wieder forderte Schmitt die Zuhörerinnen und Zuhörer auf, die Refrains seiner Songs mitzusingen. Dies geschah zunächst recht zögerlich. Doch als das Publikum Mut gefasst hatte und stimmgewaltig einfiel, lobte der Musiker: „Super. Ich nehm‘ euch mit auf eine Tournee ‚Martin Schmitt und die Original Naberner‘“.

Wahrer Tonrausch

Zwischen den knitzen Songs brillierte Schmitt mit virtuosen pianistischen Ausflügen: Zequinha de Abreus bekannter brasilianischer Choro „Tico-Tico“ blühte in einem wahren Tonrausch auf. Doch es gab auch besinnliche Momente. Als Schmitt in einem schwermütigen Blues die Einsamkeit eines verlassenen Liebhabers besang, spürte man, dass er, bei allem Sinn für Klamauk, auch eine sensible Ader hat.

Die Besinnlichkeit währte jedoch nicht lange. Mit Willie Smiths im Harlem-Stride, einem Klavierstil aus der Anfangszeit des Jazz geschriebenen „Here comes the Band“, zeigte der Pianist seine Vielseitigkeit, dann entfachte er im Boogie-Woogie „Jump“ ein Feuerwerk der Töne. Von Titel zu Titel stieg die Stimmung, und nach zwei Stunden bester Unterhaltung ließ das begeistert applaudierende Publikum Martin Schmitt erst nach zwei Zugaben von der Bühne.