Zero Waste heißt übersetzt „Kein Müll“. Das klingt nach einem unmöglichen Vorhaben . . .
Aline Pronnet: Ja (lacht). Das ist es auch. Keinen Müll zu produzieren ist etwas, das in unserer Gesellschaft nicht zu erreichen ist. Man kann sich bemühen, weniger Müll zu produzieren, bewusster zu konsumieren. Und auf diesem Weg helfe ich.
Wie?
Pronnet: Ich helfe, indem ich Vorträge halte und Workshops für Vereine, Schulen, Unternehmen veranstalte. Das ist immer ein individueller Weg. Es gibt keine Blaupause. Wenn eine Mutter zu mir kommt, die weniger Müll produzieren will, wird ihr Weg ein anderer sein als der eines Unternehmers.
Dann sagen wir mal, ich bin eine Mutter. Was raten Sie ihr?
Mein erster Ratschlag lautet immer, erstmal gar nichts zu ändern, sondern allen Müll einen Monat lang aufzuheben.
Das stinkt aber, oder?
(lacht) Ja, klar. Bei manchen reicht die Mülltonne. Andere befüllen die Badewanne. Das Ziel ist, zu sehen: Was fällt überhaupt an? Die Herausforderung ist dann erstmal, alles zu sortieren. Dabei kann man überlegen: Was davon brauche ich wirklich? Der nächste Schritt ist, festzulegen, was man im nächsten halben Jahr verändern möchte. Weniger Tetrapaks zu kaufen, zum Beispiel. Wer tiefer einsteigen will, kann ein Einzelcoaching bei mir buchen. Das kann natürlich ein Vortrag gar nicht leisten.
Wir haben hier in Kirchheim und Umgebung ein Repair Café, Secondhand-Shops, Unverpackt-Läden. Gehört das ebenfalls zu Zero Waste?
Absolut! Alles, was ein Produkt oder einen Gegenstand langlebiger macht, gehört dazu. Dazu gehört auch, zu lernen, wie man einen Knopf wieder annäht oder wie man sein Fahrrad repariert. Oder eben, herauszufinden, wo das nächste Repair Café ist, in dem ich meinen Mixer reparieren lassen kann. Dinge pflegen und instand halten, auch das ist Zero Waste.
Viele Unternehmen werben damit, aus Plastikmüll Produkte herzustellen, beispielsweise Outdoor-Jacken. Wie viel bringt das überhaupt?
Es zeigt, dass das Thema eine Relevanz in der Gesellschaft hat, und das ist positiv. Vor zehn Jahren hätte das gar nicht wirklich gezündet. Inzwischen ist das Thema so wichtig geworden, dass sogar große Konzerne damit werben. Allerdings muss man sich natürlich die Frage stellen: Ist das nur Greenwashing, oder steckt wirklich etwas dahinter? Das ist der nächste Schritt, den ich fordere: Ich möchte als Kunde diese Transparenz haben. Wenn ich auf der Unternehmens-Website nachvollziehen kann, was wirklich in der Jacke steckt, schafft das Vertrauen. Aber eine Marketing-Aktion, bei der vielleicht zwei Prozent recyceltes Plastik dabei ist, ist natürlich ein Witz.
Ist Zero Waste nicht nur ein Lifestyle-Thema für vermögendere, gebildete Menschen? Wie soll die alleinerziehende Kassiererin Kraft und Zeit dafür finden?
Das ist ein hartnäckiges Vorurteil. Allerdings ist es genau anders herum: Was mit Zero Waste verbunden ist – weniger konsumieren, Dinge pflegen – ist etwas, das Menschen mit weniger Geld automatisch machen, weil sie es müssen. Vermögendere Menschen hingegen müssen das erst wieder lernen.
Kaschieren wir denn nicht politische Versäumnisse, wenn wir uns als Privatmenschen für Zero Waste einsetzen? Sollten wir nicht stattdessen beispielsweise fordern, dass Umweltkosten stärker in den Preis aller Produkte und Dienstleistungen einfließen?
Es ist immer ein Geben und Nehmen. Man kann nicht als Verbraucher die Verantwortung von sich weisen. Aber mein Stimmzettel ist genauso ein Richtungsweiser für politische Entscheidungen. Wenn wir uns gegenseitig die Schuld zuweisen, passiert nichts. Ich glaube: Je mehr ich als Verbraucher tue, desto eher wird auf politischer Ebene darauf reagiert werden. Ich habe den Eindruck, dass die Endverbraucher aktuell noch am meisten Verantwortung übernehmen. Politik und Wirtschaft müssen nachziehen.